Der König der Lügen
sein?«
»Wussten Sie, wo er sie aufbewahrte?«
»Das wussten viele.«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
»Ich wusste, wo er sie aufbewahrte.«
»Wissen Sie, wie man einen Revolver abfeuert?«
»Man zielt und drückt ab. Das ist keine Nuklearwissenschaft.«
»Wissen Sie, wo der Revolver jetzt ist?«
»Nein«, sagte ich. »Ich habe keine Ahnung.«
Sie kehrte wieder zum Anfang zurück und ging jedes Detail noch einmal durch, und dann noch einmal. Sie betrachtete meine Story aus verschiedenen Blickwinkeln und suchte nach Unstimmigkeiten, nach den winzigen Lügen, die jeder erzählt. »Wann sind Sie ins Bett gegangen? Wann Ihre Frau? Worüber haben Sie gesprochen? Erzählen Sie mir von dem Streit. Erzählen Sie mir, was im Krankenhaus passierte. Was hat Ihr Vater noch gesagt, bevor er ging? Was war das für ein Anruf? Lassen Sie uns das noch einmal durchgehen.«
Immer wieder, stundenlang. »Wie haben Sie sich mit Ihrem Vater verstanden? Wie waren Ihre finanziellen Regelungen hinsichtlich der Kanzlei? Waren Sie Partner, oder waren Sie angestellt? Hatten Sie einen Schlüssel zu seinem Haus? Hat er sein Büro nachts verschlossen? Seinen Schreibtisch?«
Ich bat um Wasser, und Mills goss mir etwas aus dem Krug in ein Glas. Ich trank einen kleinen Schluck.
»Wann haben Sie zum ersten Mal von dem Testament erfahren?«
»Ich wusste, dass er mir das Haus hinterlässt, sonst nichts bis zu meinem Gespräch mit Hambly.«
»Ihr Vater hat nie darüber geredet?«
»Er war ein verschlossener Mann, vor allem, was Geld anging.«
»Hambly sagt, Sie waren wütend über die Bedingungen im Testament. Er sagt, Sie hätten Ihren Vater verflucht.«
»Jean war nicht bedacht worden.«
»Und das hat Sie gestört.«
»Ich finde es grausam.«
»Sprechen wir über Ihre Mutter«, sagte Mills. Ich richtete mich auf.
»Was ist mit ihr?«
»Haben Sie sie geliebt?«
»Was ist das für eine Frage?«
»Antworten Sie bitte.«
»Natürlich habe ich sie geliebt.«
»Und was ist mit Ihrem Vater?«
»Er hat sie auch geliebt.«
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Er war mein Vater.«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage«, sagte sie.
»Ich glaube, doch.«
Sie lehnte sich zurück und genoss die Macht, die sie über mich hatte. »Waren Sie Freunde?«
Ich dachte darüber nach, und fast hätte ich gelogen. Ich war nicht sicher, warum die Wahrheit aus meinem Mund kam, aber sie tat es. »Er war mein Vater und mein Geschäftspartner. Freunde waren wir nicht.«
»Warum nicht?«
»Er war ein harter Mann. Ich glaube nicht, dass er viele Freunde hatte.« Mills blätterte in ihrem Block zurück und überflog ihre früheren Notizen. »Der Abend, an dem Ihre Mutter starb.«
»Es war ein Unfall«, sagte ich ein bisschen zu laut.
Mills blickte auf. Sie hielt das Blatt noch zwischen den Fingern. »Das haben Sie gesagt. Aber es wurden Fragen gestellt. Es gab eine Untersuchung.«
»Haben Sie den Bericht nicht gelesen?«
»Doch. Er wirft ein paar Fragen auf.«
Ich zuckte die Achseln, als wäre das alles nicht unerträglich. »Jemand kommt zu Tode. Man stellt Fragen. So ist das.«
»Wo war Alex Shiften?« Die Frage traf mich unvorbereitet. »Alex?«
»Ja. Während des Streits. Nach dem Streit. Wo war sie?«
»Das weiß ich nicht«, sagte ich wahrheitsgemäß. Mills machte sich eine Notiz und wechselte dann nahtlos den Kurs. »Sie haben das Testament Ihres Vaters nie gesehen. Ist das richtig?«
Diese Frage hatte sie mir schon öfter gestellt. »Ich habe sein Testament nie gesehen«, sagte ich. »Ich kannte keine Details. Bis ich mit Clarence Hambly gesprochen habe, wusste ich nicht, dass das Erbe so groß ist.«
Ich spürte eine Bewegung und schaute zu Detective Winzkopf hinüber. Er hatte sich nicht wirklich bewegt, aber seine rasiermesserscharfen Lippen hatten sich auf der einen Seite nach oben gekrümmt, und plötzlich ahnte ich, wie gefährlich mein Spiel in Wirklichkeit war. Ich konnte die Falle nicht sehen, die Mills mir gestellt hatte, aber ich spürte sie. Ich sprach sehr langsam weiter. »Ich wusste ganz sicher nicht, dass er mir fünfzehn Millionen hinterlassen hatte.«
Als ich Mills wieder anschaute, sah ich den ersten Schimmer des Triumphs. Was immer sie da im Ärmel hatte, ich würde es gleich erfahren. Sie klappte ihre Mappe auf und nahm etwas heraus, das aussah wie ein Dokument in einem Asservatenbeutel aus durchsichtigem Plastik. Sie verlas die Nummer dieses Beweisstücks für das Tonbandprotokoll und legte es
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