Der König der Lügen
Testament nur wenige Originale. Meistens behält der Mandant eins, ebenso der Notar, der es aufsetzt. Also zwei Originale. Vielleicht drei. Aber Kopien können natürlich in unbegrenzter Zahl existieren.«
»Das ist irrelevant. Entscheidend ist, dass Sie die Verfügungen des Testaments gekannt haben.« Mit mir zu diskutieren war ihr erster echter Fehler. Damit hatte sie eine Tür geöffnet und mir gestattet, Spekulationen anzustellen, und jetzt war ich es, der sich vorbeugte. Ich wollte, dass meine nächsten Worte exakt im Protokoll standen, und ich sprach sehr deutlich.
»Sie haben eine Kopie des Testaments von Clarence Hambly erhalten. Und zwar, bevor Sie mein Haus durchsucht haben. Das wäre eine Person, von der wir wissen, dass sie eine Kopie hatte: Sie. Ich kann weiterhin davon ausgehen, dass Sie dem Staatsanwalt eine Kopie gegeben haben. Das wären zwei. Natürlich hatte Clarence Hambly ein Originalexemplar; also könnte auch er eine Kopie angefertigt haben. Damit haben wir drei Personen mit Kopien des Testaments, drei Personen, die sich überdies in den letzten paar Tagen in meinem Haus aufgehalten haben.« Ich zählte an meinen Fingern ab, bog sie nacheinander zurück, während ich sprach. »Hambly war bei Ezras Totenfeier an dem Abend, nachdem sein Leichnam gefunden wurde. Das wäre der Erste. Der Staatsanwalt war am nächsten Tag da, um mit meiner Frau zu sprechen. Er hat sich eigens auf den Weg gemacht, um sie zu Hause zu besuchen. Er wollte nirgends sonst hin. Nur zu meinem Haus. Das wären zwei. Und Sie waren bei der Durchsuchung dort. Das wären drei. Jeder von Ihnen könnte die Kopie dort hinterlegt haben.«
»Wollen Sie meine Integrität in Zweifel ziehen?«, fuhr Mills mich an. »Oder die des Staatsanwalts?« Die Farbe war in ihre Wangen zurückgekehrt. Ich hatte ins Schwarze getroffen. Sie wurde wütend.
»Sie ziehen meine in Zweifel. Warum also nicht? Drei Personen, die alle eine Kopie des Testaments in ihrem Besitz hatten und die alle in den letzten paar Tagen in meinem Haus gewesen sind. Das ist ein faszinierendes Problem für Sie, Detective Mills. Die Leute lieben gute Verschwörungstheorien. Und wir wollen Hamblys Personal nicht vergessen. Er hat fünfzehn Mitarbeiter in seiner Kanzlei, dazu fünf Anwälte. Jeder von ihnen könnte das Testament kopiert haben. Haben Sie sie alle überprüft? Ich wette, für hundert Dollar könnte man eine Kopie von jedem Testament kaufen, wenn man die richtige Person anspricht. Was ist schon dabei, nicht wahr? Barbara und ich hatten in den letzten anderthalb Jahren Besuch von unzähligen Leuten. Einer von denen kauft eine Kopie des Testaments und legt sie in unser Haus. Eine simple Sache. Sie sollten sie ebenfalls alle überprüfen.«
Mills kochte vor Wut, und so wollte ich es haben. Sie wurde lauter. »Sie können das alles verdrehen, so lange Sie wollen, aber keine Jury wird es Ihnen abkaufen. Geschworene vertrauen der Polizei, sie vertrauen dem Staatsanwalt. Das Testament war in Ihrem Haus. Sie wussten von den fünfzehn Millionen.«
»Ich wäre an Ihrer Stelle nicht so schnell damit bei der Hand, die Geschworenen in diesem County zu beleidigen. Sie sind gescheiter, als Sie annehmen. Könnte sein, dass sie Sie überraschen.«
Mills sah die Gefahr, dass ich die Kontrolle übernahm, als ich lächelte. Ich war gelassen. Sie war es nicht. Sie hatte die Geschworenen als Dummköpfe dargestellt. Ich hatte ihnen ein aufrichtiges Kompliment gemacht. Es stand im Protokoll.
»Dieser Abschnitt der Vernehmung ist beendet«, sagte Mills. In ihren Augen glühte inbrünstige Überzeugung, und ich sah echten Hass in ihrem Blick.
Ich war nicht bereit, es dabei zu belassen. Noch nicht. Ich hatte noch eine weitere Theorie zu Protokoll zu geben. »Dann ist da noch die Person, die in Ezras Büro eingebrochen ist«, sagte ich. »Und die versucht hat, mich mit dem Schreibtischsessel umzubringen. Ich frage mich, was die Person dort gesucht hat. Vielleicht hat sie eine Kopie des Testaments entwendet.«
»Das reicht.« Mills war wieder aufgestanden und umklammerte die Tischkante mit beiden Händen. Ich würde nichts weiter aus ihr herausbekommen, das war offensichtlich.
Also sagte ich das Einzige, was mir noch zu sagen blieb.
»Wie Sie meinen. Ich ziehe meinen Rechteverzicht zurück und nehme mein Aussageverweigerungsrecht in Anspruch. Diese Vernehmung ist zu Ende.«
Mills schwoll an, als das Blut in ihr Gesicht strömte. Sie hatte das Blut ihres Opfers geleckt, und es
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