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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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hatte ihr gefallen, aber dann hatte ich ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht und ihre Theorie massiv durchlöchert. Das an sich würde noch nicht genügen — das war mir klar —, doch sie sah dabei nicht gut aus, und der Schatten eines Zweifels war da. Sie hatte nicht restlos bedacht, was es bedeutete, dass es sich bei dem Testament um eine Kopie handelte. Ein Original hätte mich viel stärker belastet. Aber letzten Endes war das alles nur Bühnenzauber. Sie hatte, was sie wollte. Es stand im Protokoll. Ich hatte das Testament nie gesehen, aber es war in meinem Haus gefunden worden.
    Und fünfzehn Millionen Dollar — dabei würden die meisten Geschworenen ins Nachdenken geraten.
    Mills stürmte hinaus und ließ mich mit diesen Gedanken allein, während ich mich mit zwei weiteren Fragen zu beschäftigen hatte, die auf ihre Art noch beunruhigender waren: Warum hatte mein Vater mich enterben wollen, und warum hatte Hambly mir davon nichts gesagt?
    Ich rieb mir das Gesicht, das sich anfühlte, als gehörte es einem Fremden. Bartstoppeln, tiefe Falten — ich rieb meine wunden Augen mit den Handballen und öffnete sie, als ich hörte, dass Detective Winzkopf zum Tisch kam. Er stellte mir ein Telefon hin.
    »Einen Anruf. Nutzen Sie ihn gut.«
    »Wie wär's, wenn Sie mich allein lassen?«
    »Kommt nicht in Frage.« Er lehnte sich wieder an die Wand.
    Schon versank die Vernehmung hinter mir in der Vergangenheit. Ich sah das Telefon an und dachte an Vanessas Gesicht, und wie sie vor Barbaras Stimme geflüchtet war. Ich hatte einen Anruf frei, und ich dachte an all die Anwälte, die ich kannte, und wählte dann die einzige Nummer, die für mich einen Sinn hatte. Ich hörte, wie das Telefon auf der Stolen Farm klingelte, und umklammerte den Hörer so fest, dass mir die Hand wehtat. Wollte ich mir mein Alibi sichern? Vielleicht einen Moment lang; vor allem wollte ich sie wissen lassen, dass ich sie nicht im Stich gelassen hatte. Bitte, flehte ich lautlos. Bitte nimm ab. Aber sie tat es nicht. Nur ihre nüchterne Stimme bat den Anrufer, eine Nachricht zu hinterlassen. Doch das konnte ich nicht. Was hätte ich sagen können? Also legte ich den Hörer langsam wieder auf die Gabel. Undeutlich war mir bewusst, dass der Detective mich neugierig anstarrte, während weit weg von hier ein gefühlloser Apparat mein qualvolles Atmen in sich aufnahm.

FÜNFUNDZWANZIG
    I n meiner Vorstellung waren die Zellen immer kalt, doch in der Zelle, in die sie mich brachten, war es heiß. Das war das Erste, was mir auffiel; das Zweite war die Größe. Eng und schäbig, zweieinhalb mal zwei Meter, mit einem winzigen Fenster, das ich mir immer vergittert vorgestellt hatte. Aber es hatte nur eine mit Draht verstärkte Glasscheibe. Das erkannte ich, als ich das Gesicht ans Fenster drückte, um mehr von dem Ort zu sehen, an den Mills mich geschickt hatte. Ich hatte sie nicht wieder gesehen, seit sie hinausgestürmt war, doch sie hatte mich nicht lange in Ruhe gelassen. Detective Winzkopf und zwei uniformierte Polizisten hatten mir wieder Handschellen angelegt und mich durch ein Gewirr von Korridoren zu der Stahltür geführt, hinter der die Parkgarage des Reviers lag. Sie hatten mich in einen Streifenwagen gesetzt, und nach kurzer Fahrt waren wir im Gefängnis angekommen, wo ich registriert wurde.
    Dieser Vorgang war schlimmer, als ich es mir je vorgestellt hatte. Sie notierten meinen Namen, nahmen mir die Kleider weg und, mit Hilfe einer kleinen Taschenlampe und eines Gummihandschuhs, den lernen kläglichen Fetzen meiner Würde. Detective Winzkopf sah dabei zu und zündete sich eine Zigarette an, als sie meine Gesäßbacken auseinanderspreizten.
    Am Ende warf jemand mir einen orangegelben Overall zu, den ich anzog, beschämt über meinen eigenen Eifer. Die Hosenbeine waren zu kurz, und der Schritt hing mir fast zwischen den Knien. Meine Fersen ragten hinten über die Flipflops hinaus, aber ich stand so aufrecht da, wie ich konnte. Detective Winzkopf lächelte. »Schlafen Sie gut.« Dann war er weg, und ich war allein mit den Wärtern, die so taten, als hätten sie mich noch nie gesehen — statt zwei- oder dreimal wöchentlich in den letzten zehn Jahren.
    Ich blieb noch zehn Minuten stehen, während der Aufsicht führende Wärter seinen Papierkram zu Ende brachte. Der andere ignorierte mich. Zehn Minuten, wir drei, ohne ein Wort. Der Stift kratzte auf dem Dreifachformular, und der fleischige Unterarm hinterließ feuchte Flecken auf der

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