Der König der Lügen
Krach schlagen wollte, könnte er es tun. Er konnte eine Menge Argumente vorbringen, und viele davon würden einleuchten. Er konnte die Richterin in ein schlechtes Licht setzen, und ich hoffte, dass er es nicht tun würde. Langsam erhob er sich, den Blick auf den Tisch gesenkt, und dehnte den Augenblick zum Zerreißen in die Länge.
»Die Staatsanwaltschaft bittet nur darum, dass eine Kaution in angemessener Höhe festgesetzt wird.«
Wieder ging aufgeregtes Gemurmel durch den vollbesetzten Gerichtssaal, eine Welle von Energie, die sich an meinem Rücken brach und dann in erwartungsvollem Schweigen verebbte.
»Die Kaution wird auf zweihundertfünfzigtausend Dollar festgesetzt«, verkündete die Richterin. »Der Fall wird an die nächste Instanz verwiesen, und der Beschuldigte bleibt in Haft, bis die Kaution gestellt ist. Das Gericht zieht sich für fünfzehn Minuten zurück.« Sie schlug einmal mit ihrem Hammer auf den Tisch und stand auf. In ihrer schwarzen Amtsrobe sah sie klein und geschrumpft aus.
»Erheben Sie sich!«, donnerte der Gerichtsdiener. Ich gehorchte und sah ihr dann still nach, wie sie durch die Tür hinter dem Richtertisch verschwand. Im Saal brach ein hemmungsloses Spekulieren los.
Ich schaute zu Douglas. Er hatte sich nicht gerührt. Seine Kiefermuskeln arbeiteten, und er starrte die Tür an, durch die die Richterin verschwunden war. Dann drehte er den Kopf, als hätte er meinen Blick gespürt. Er winkte den Gerichtsdienern, und Sekunden später hatte ich meine Handschellen wieder. Unsere Blicke verschränkten sich ineinander. Mills flüsterte ihm beinahe lautlos ein paar Worte ins Ohr, aber er ignorierte sie immer noch. Da war etwas in seinem Blick, und es war etwas Unerwartetes, das wusste ich, obwohl ich nicht erkennen konnte, was es war. Ich wusste nur, dass es nicht der Blick war, den er anderen Beschuldigten zuwarf. Dann überraschte er mich, indem er lächelte. Er kam zu mir, und seine Stimme war wie warmes Öl.
»Ich würde sagen, das ist ziemlich gut für Sie gelaufen, Work.« Mills blieb an ihrem Tisch; ihre Miene war unergründlich. Hinter uns drehten sich mehrere Anwälte um und beobachteten uns, aber keiner kam näher. Wir existierten in einem Kokon der Stille, der nur uns beiden zu gehören schien. Sogar die Gerichtsdiener waren in diesem Augenblick bloße Schemen. »In zwei Stunden dürften Sie wieder auf der Straße sein.«
Ich versuchte ihn mit meinem Blick festzunageln, aber in einem orangegelben Overall und mit stählernen Armbändern hatte ich diese Macht verloren. Sein Lächeln blühte auf, als wäre er zu dem gleichen Schluss gekommen. »Warum sprechen Sie mit mir?«, fragte ich.
»Weil ich es kann«, sagte er.
»Sie sind ein echtes Arschloch, Douglas. Ich frage mich, wie ich das all die Jahre habe übersehen können.«
Sein Lächeln verschwand. »Sie haben es übersehen, weil Sie es übersehen wollten, wie alle Verteidiger. Sie wollten Ihre Deals. Sie wollten mein Kumpel sein, damit ich Ihnen die Arbeit leichter mache. Es ist ein Spiel, und es war schon immer eins. Das wissen Sie genauso gut wie ich.« Sein Blick huschte nach links und nach rechts, und seine Stimme wurde ein wenig lauter. »Aber das Spiel ist vorbei. Ich brauche es nicht mehr zu spielen. Also genießen Sie Ihren kleinen Sieg. Der nächste Richter wird es Ihnen nicht so leicht machen, und Sie können sicher sein, dass ich es auch nicht tun werde.«
Wieder hatte ich ein seltsames Gefühl. Vielleicht lag es an seinem Blick, vielleicht an dem, was er sagte oder wie er es sagte. Ich versuchte herauszufinden, was es war, und plötzlich ging mir ein Licht auf. Douglas spielte für das Publikum. Anwälte schauten zu, und Douglas spielte für sie. Ich hatte ihn noch nie über die Rampe agieren sehen. Als ich sein Gesicht sah und darüber nachdachte, kam mir eine Frage in den Sinn. Sie hatte mich in der vergangenen Nacht beschäftigt, trotzdem hatte ich sie fast vergessen. Ehe ich mich versah, waren meine Worte ausgesprochen, und sie wirkten sofort.
»Warum haben Sie mich an den Tatort gelassen?«, fragte ich.
Douglas sah unbehaglich aus. Sein Blick ging zu den umstehenden Anwälten und kehrte zu mir zurück. Er senkte die Stimme.
»Wovon reden Sie?«
»An dem Tag, als die Leiche gefunden wurde und ich Sie um Erlaubnis bat, den Tatort zu sehen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie es mir erlauben würden; kein vernünftiger Staatsanwalt hätte es getan. Aber Sie. Sie haben Mills praktisch befohlen,
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