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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Fußende, ein breites Lächeln im Gesicht. Ich hörte Krankenhausstimmen und roch Krankenhausgerüche. Ich suchte Barbara. Aber sie war nicht da.
    »Jemand hat einen Stuhl nach mir geworfen«, sagte ich. »Wie bitte?«, fragte Mills.
    »Ezras Stuhl, glaube ich. Ich bin die Treppe hinaufgegangen, und jemand hat den Stuhl auf mich geworfen.«
    Mills sagte eine ganze Weile gar nichts. Sie klopfte mit einem Stift gegen ihre Schneidezähne und sah mich an.
    »Ich habe mit Ihrer Frau gesprochen-, erklärte sie schließlich. »Sie sagt, Sie waren gestern Abend betrunken.
    »Und?«
    »Sehr betrunken.«
    Ich starrte die Polizistin mit dumpfer Verblüffung an. »Wollen Sie andeuten, ich bin die Treppe hinuntergefallen?« Mills schwieg, und ich merkte, dass ich wütend wurde. »Meine Frau weiß doch gar nicht, was >sehr betrunken< ist. Einen Scheißdreck weiß sie.«
    »Mehrere Leute, die gestern Abend in Ihrem Haus waren, haben ihre Aussage bestätigt«, sagte Mills.
    »Wer denn?«
    »Das ist kaum relevant.«
    »Relevant! Himmel. Sie reden wie ein Anwalt.« Jetzt war ich wirklich wütend. Hauptsächlich, weil man mich wie einen Idioten behandelte. »Waren Sie schon in meiner Kanzlei, Detective Mills?
    »Nein.«
    »Dann gehen Sie hin«, sagte ich. »Sehen Sie nach, ob der Stuhl da ist oder nicht.«
    Sie musterte mich, und ich konnte fast sehen, wie sie mit sich selbst debattierte: War dieser Typ ernst zu nehmen, oder war er einfach bescheuert? Wenn sie mich jemals als Freund betrachtet hatte — in diesem Moment sah ich, dass sie es nicht mehr tat. Ihr Blick war ohne Nachsicht. Vermutlich stand sie unter starkem Druck. In der Zeitung hatten etliche Artikel gestanden, Rückblicke auf Ezras Leben, dünn formulierte Spekulationen über die Art seines Todes, unbestimmte Details über die Ermittlungen. Und Mills war oft erwähnt worden. Mir war klar, dass es bei diesem Fall für sie um alles oder nichts ging, aber aus irgendeinem Grund hatte ich mir eingebildet, dass unsere persönliche Beziehung davon unberührt bleiben würde.
    »Wie heißt Ihre Sekretärin?«, fragte sie. Ich sagte es ihr, und sie wandte sich an die Schwester, der das Unbehagen anzusehen war. »Wo ist Ihr Telefon?« Die Schwester sagte, sie könne den Apparat im Stationszimmer benutzen. Am Ende des Korridors. Die zweite Tür. Mills sah mich an. »Gehen Sie nicht weg«, sagte sie, und ich hätte beinahe gelächelt, doch dann wurde mir klar, dass sie es nicht komisch meinte.
    Sie schlug den Vorhang beiseite und verschwand. Ich hörte das Klappern ihrer Absätze auf den Fliesen, dann war ich mit der Krankenschwester allein. Sie schüttelte mein Kissen auf.
    »Ist das hier die Notaufnahme?«, fragte ich.
    »Ja, aber samstags morgens ist es hier ziemlich ruhig. Die Schießereien und Messerstechereien gehen erst heute Abend los.« Sie lächelte und wurde plötzlich zu einer realen Person.
    »Was fehlt mir denn?«
    »Oh, nichts weiter, nur ein paar Blutergüsse und Abschürfungen. Ihre Kopfschmerzen werden vielleicht länger dauern, als sie es sonst getan hätten.« Sie lächelte wieder, und ich wusste, dass sie nicht zum ersten Mal einen Samstagmorgen-Kater zu Gesicht bekam. »Sie werden gleich entlassen.«
    Ich legte die Finger auf ihren Unterarm. Er fühlte sich an wie warmer Teig. »War meine Frau hier, um nach mir zu sehen? Eins fünfundsechzig. Kurze schwarze Haare. Hübsch.« Ihr Gesicht blieb ausdruckslos. »Harte Augen«, fügte ich nur halb im Scherz hinzu. »Zickig.«
    »Tut mir leid. Nein.«
    Ich wich ihrem mitleidigen Blick aus. »Sind Sie verheiratet?«
    »Seit zweiundzwanzig Jahren«, sagte sie.
    »Würden Sie Ihren Mann allein in der Notaufnahme lassen?« Sie antwortete nicht, und ich dachte: Nein, natürlich nicht, Meinungsverschiedenheiten sind an der Krankenhauspforte zu Ende.
    »Das käme darauf an«, sagte sie schließlich. Mit sicheren, flinken Händen strich sie meine Decke glatt, und ich dachte, sie wollte nicht weitersprechen.
    »Worauf?«, fragte ich.
    Sie sah mich an und hielt die Hände plötzlich still. »Ob er es verdient hat oder nicht«, sagte sie.
    Und das ist es, dachte ich: der Unterschied zwischen ihr und mir. Denn ich wäre trotzdem da. Auf jeden Fall. Plötzlich war diese Krankenschwester doch keine unverhoffte Freundin, und bei dieser tristen Erkenntnis verflog die Wärme in dem kleinen, von Vorhängen umschlossenen Raum. Und obwohl sie dablieb und versuchte, sich weiter mit mir zu unterhalten, war ich unversehens allein mit meinen

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