Der König der Lügen
Kopfschmerzen und den unzusammenhängenden Bildern der vergangenen Nacht.
Ich hatte ein Geräusch gehört. Räder auf den Holzdielen. Ezras großer Ledersessel war dort oben an die Treppe gerollt worden. Ich wusste, dass ich recht hatte. Ich hatte das Gewicht zu spüren bekommen, verdammt.
So betrunken war ich nicht gewesen.
Als Mills zurückkam, sah sie stinksauer aus. »Ich habe mit Ihrer Sekretärin gesprochen«, sagte sie. »Da liegt kein Stuhl unten an der Treppe. Da war auch kein Stuhl, als sie Sie heute Morgen fand. Überhaupt ist alles so, wie es sein soll. Kein Fenster eingeschlagen. Keine Anzeichen für gewaltsames Eindringen.«
»Aber Ezras Sessel ...«
»Steht oben an seinem Schreibtisch«, sagte Mills. »Wo er immer war.«
Ich dachte an den vorherigen Tag zurück. Ich hatte meine Sekretärin frühzeitig nach Hause geschickt.
»Vielleicht habe ich vergessen, das Büro abzuschließen«, erwog ich. »Hören Sie, ich habe das doch nicht erfunden. Ich weiß, was passiert ist.« Mills und die Schwester starrten mich wortlos an. »Verdammt, jemand hat einen Stuhl die Treppe hinuntergeworfen!«
»Hören Sie, Freundchen. Sie stehen im Moment nicht sehr weit oben auf meiner Favoritenliste. Ich habe gestern eine Stunde damit verschwendet, Sie aufzustöbern, und ich werde nicht noch mehr Zeit vergeuden, bloß weil Sie beschlossen hatten, sich einen anzutütern. Drücke ich mich klar aus?«
Ich wusste nicht, was mich wütender machte: dass Mills nicht akzeptieren wollte, was ich ihr erzählt hatte, oder dass meine Frau nicht den Anstand besessen hatte, ins Krankenhaus zu kommen. Mein Schädel drohte zu platzen, mein Körper fühlte sich an wie der Verlierer in einem Boxkampf, und vielleicht würde ich gleich krankenhausgrün kotzen.
»Okay. Von mir aus.«
Mills sah mich an, als hätte sie größeren Widerstand erwartet und wäre jetzt enttäuscht. Die Schwester sagte, ich müsse noch einige Papiere unterschreiben, und ging hinaus, um sie zu holen. Mills starrte mich an, und ich starrte die Decke an, fest entschlossen, den Mund zu halten. Dieser Tag konnte auf zwei Arten weitergehen. Er konnte besser werden, und er konnte schlimmer werden. Nachdem ich meinem Gefühl nach lange Zeit so getan hatte, als interessierte ich mich für weiße Akustikplatten, fing Mills endlich an zu sprechen.
»Wir müssen immer noch über den Abend reden, als Ezra verschwand.« Ihr Ton war sanfter, als sei ihr klar geworden, dass diese Informationen vielleicht »relevant« sein könnten und dass ich darüber verfügte. Ich schwieg, und nun platzte ihr der Kragen. »Verdammt, Work, er war Ihr Vater!«
Jetzt sah ich sie an. »Sie haben nicht die leiseste Ahnung, wovon Sie reden«, sagte ich und bereute es sofort. Meine Stimme hatte giftig geklungen, und ich sah die Überraschung in ihrem Blick. »Hören Sie, ich muss duschen. Ich muss mit meiner Frau reden. Können wir das heute Nachmittag erledigen?« Sie wollte antworten, aber ich fiel ihr ins Wort. »In Ihrem Büro. Um drei. Ich werde da sein.«
»Sehen Sie nur zu, dass ich es nicht bereue«, sagte Mills.
»Ich werde da sein. Drei Uhr.«
Der Geruch von reifem Pfirsich hing noch in der Luft, als Mills gegangen war. Würde ich die Verabredung einhalten? Vielleicht. Der fragliche Abend war übel gewesen, und ich hatte nie darüber gesprochen. Nie. Manche Geheimnisse behält man für sich, und dieses gehörte allein mir und meiner Schwester. Es war Ezras letztes Geschenk: eine Lüge, verpackt in Schuld und zu reinster Scham verdorrt. Ich hatte meinen Schlaf an diese Lüge verloren, und vielleicht auch meine Seele. Wie nannte Jean es? Ezras Wahrheit. Nun, Ezras Wahrheit war meine Wahrheit; sie musste es sein, und wenn Jean anders dachte, machte sie sich etwas vor.
Ich hob die Bettdecke. Jemand hatte mir ein Krankenhaushemd angezogen, hinten verschnürt. Toll.
Die Schwester ließ mich fast eine Stunde hängen. Als sie schließlich mit den Papieren erschien, hatte ich immer noch keine Kleider, und sie ließ mich noch einmal zwanzig Minuten warten, bis sie sie geholt hatte. Der Tag wurde schlimmer, und das Gefühl der schmutzigen Sachen an meiner Haut machte die Sache nicht besser.
Ich hinkte aus der Notaufnahme hinaus in einen Tag, der stumpf war unter den tief dahintreibenden Wolken. In der prickelnd feuchten Hitze brach mir sofort der Schweiß aus. Ich tastete meine Taschen nach dem Schlüsselbund ab und fand ihn nicht, und dann fiel mir ein, dass ich auch kein Auto hatte.
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