Der König der Narren
nicht sehr vernünftig und vor a l lem nicht nach etwas, das beim K a m p f gegen das N i chts hilfreich sein konnte. Aber sie wollte i h re Gastge b e r in nic h t v e rärgern, also ließ sie s i ch in einen ovalen Bau führen, der nicht von ein e r, nicht von zwei, sondern von drei Hecken u m geben war.
Die Leute dort kannten Guin und begrüßten sie m it ruckartigen Kopfbewegungen. Auf Res warfen sie nur einen kurzen Blick und zuckten die Achseln. »Wenn m an s ie in das Dorf gelassen hat, m uss sie wohl sauber sein«, be m erkte einer von ihnen.
Im Inneren des Gebäudes herrschte ein däm m riges Licht, das jedoch im V e rgleich zur Düsternis im Arachnion geradezu gleißend war. Res konnte Guin mühelos fol g en. Vor einer weiteren Hecke, einen Speer in der Hand, stand e i n rot-gefiederter Dorfbewohner. Noch im m er konnte Res nicht erken n en, wie die Leute von H aruspex sich nach männlich und weiblich u n terschieden, doch in diesem Fall war das auch nicht nötig. Der W ächter begrüßte Guin m it einem Kuss. Es m u sste i h r Gatte sein.
Um über den letzten Heckenrand zu spähen, m usste sich Res auf die Zehens p itzen s telle n . Sie fra g te sich, wie die Dorfbewohner, die alle kleiner waren als sie, das anstellten, und entschied, dass sie wahrscheinlich Guckrohre wie der Torwächter benutzten. Sie reckte sich in die Höhe und s a h eine Gestalt in einer kreisför m i gen Aushöhlung in m itten der Mul d e kauern. Es war, soweit sie erkennen konnte, ein grauhaariger, bärtiger Mann, der einen zerrissenen, vielfach geflickten K ittel trug und ständig vor sich hin m u r m elte. Sie musste sich an s tre n gen, um seine Stim m e zu ver s tehe n , zu m al der Speerträger dazwi sc henred e te:
»Unser Sühneträger«, sagte Gui n s Ehe m ann stolz. »Keiner von uns und vollkom m en ve r rückt. Die ideale W ahl für das Reinigungsritual.«
»Rein, m ein, fein… silberne Drachen springen a m H i m m el… Glim m er in der Tiefe…«, sang der Gefangene m it erstaunlich m elodischer S ti mm e.
»Und was wird bei dem Reinigungs r itual geschehen ? «, fragte Res verwirrt.
»Eine Prozession führt den Sühneträger zum Drachenfelsen außerhalb des Dorfes, und dort w ird er von der Klippe gestürzt, was sonst ? «, gab der W ächter zurück.
»Nachdem die Schuld am Verlust von To-Ti-La und am Nichts auf ihn geladen wurde«, fiel Guin w esentlich verbindlicher ein. »Danach ist sie getilgt, und das Nichts wird Sto-Vo-Kor nie etwas anhaben können.«
»Haben, laben, graben… grab dir dein eige n es Grab so tie f , s o tief, und vergiss all die anderen Gräber«, m u r m elte der Gefangene.
»Aber, aber das ist nicht gerecht!«, stieß R e s entsetzt hervor. »Er hat doch nichts getan, und Ihr wollt ihn u m bringen ? «
Beide Eheleute stem m t en die A r m e in die Seiten und m u st erten sie m i ssbilligend.
»Er ist der Sühneträger«, gab Guin zurück. »Das habe ich doch gerade erklärt. Sollen wir uns etwa vom Nichts verschlingen lasse n ? W ir sind bei der Auswahl so vorsichtig wie m öglich vorgegangen. Er hat kei n e Fa m ilie, die u m ihn trauern würde, und er i s t auch zu nichts nutze, wie Ihr sehen könnt.«
»Ihr könnt gerne seinen Platz e i nneh m en, wenn Ihr sein Leben retten wollt«, knurrte ihr Mann. »Auch I h r seid eine Fr e m de ohne F a m i lie hier, oder Beruf.«
Guin schüttelte den Kopf: »Sie ist m ein Gast, und sie hat eine Aufgabe, die sie für i h re Hei m at erfüllen m uss.«
Es war ein Glück, dass sie gespr o chen hatte. Zu ihrer Beschämung war Res’ erster Gedanke gewesen: Nein, nicht ich! Ich will leben! Sie schluckte. Eine Stimme in ihr e m Inneren teilte ihr mit, dass sie den Tod des Leonesen wieder gut m achen könnte, wenn sie hier ein Leben rettete. Aber es stim m t e, was Guin gesagt hatte: Sie h atte e ine Mission zu erfüllen. Sie durfte nic h t aufgeben.
Zu m i ndest redete sie sich das ein.
W i eder stellte sie sich auf die Zehenspitzen und schaute über die Hecke, zu dem grauhaarigen M a nn, der plötzlich den Kopf hob und ihren Blick erwiderte. E r hatte dunkle, schräg geschnittene Augen, ein falti g es Gesicht und Brauen, die wie von einem Pinsel s t rich gezogen wirkten. Seine Hände waren in den zerfetzten Är m eln seines Kitt e ls ver gr aben.
»Schuldig«, sagte er leise. »Schuldig an tausend f achem Tod.«
» W ie heißt du ? «, fragte R e s m it bel e gter Stim m e .
Die Klarheit wich wie d er aus dem Blick des Mannes. »Na m en,
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