Der König der Narren
Finger glitten über Faden nach Faden, und sie hörte Pallas’ Erklärungen zu, die beruhig e nd wie kleine, schaukelnde W ellen waren, nicht zu hoch, gerade richtig, um sich wie ein Kind hin- und hergewiegt zu fühlen. B i s sich andere Stim m en ein m ischten, obwohl Pallas m it ihren Erläuterungen fortfuhr.
Meinetwegen brauchst du diese Narrendarbietung nicht zu verlängern, sagte die Katze scharf. Ich hatte schon einen Verdacht, als du genau zum richtigen Zeitpunkt gek l atscht hast. Du kanntest diese Prophezeiung aus deiner Zeit in Sto-Vo-Kor, stimmt’s?
»Es kom m t und geht, kom m t und geht«, erwiderte Yen Tao-tzu müde. » W ie ein Bild, dem früher d i e m eisten Stücke fehlten. W i e…« Er stockte, dann fuhr er fort: » W ie das B e lie bi gkeitss p i e l, wenn es auf ein m al einen Sinn ergibt. Seit wir Kading verließen, fügen sich im m er m ehr Einz e lt e ile ein, a b er e i n Rest ist mir noch erspart, und ge m essen an de m , was ich inzwischen weiß…»
Res öffnete die Augen. Über sich sah sie T reppenstufen, aber unter ihr war nur Erde, nicht der B o den eines Hauses. Sie folgte der Treppe m it den Augen und stellte fest, dass die Stufen m itten in der Luft endeten. Je m and hatte eine T r eppe gebaut, die nirgendwo hinführte.
Sie drehte sich zur Seite und be m erkte, dass sie unter einem löchrigen, zerrissenen Etwas lag, das ihr vage vertraut vorka m . Yen Taotzu m usste sie da m it bedeckt haben. Er saß im Schatten der Treppe, zusam m en m it der Katze, und sie konnte sehen, dass der Regen i mm er noch fiel, in silbrigen Fäden m ittlerw e ile, nicht m ehr in harten Peitschenhieben.
» W arum k a nn er dich hören ? «, fragte Res benommen die Katze.
»Ich dachte, ich bin die E i nzige, zu der du sprichst.«
Mmmmmm, erwiderte die Katze. Manche Phantasier hören mich nie. Bei anderen liegt es an mir. Aber er stammt nicht…
»Du«, unterbrach Res sie und starr t e Yen Tao-tzu an. »Du warst schon ein m a l hier. Du kennst dich h i er aus. Und du hast nur so getan, als wäre s t d u verrüc k t.«
Seine grauen Haare waren noch feucht vom Regen, genau wie ihre eigenen, obwohl er inzwischen im Trocknen saß. Einzelne Tropfen liefen ihm über die Stirn und rannen auf sein Kinn hinunter, als er den Kopf schüttelte. »Es ist, als w ä re m an blind«, erklärte er, »und würde langsam das Sehen wieder lernen. In Kading war ich sehend, aber nicht in der richtigen Zeit.«
Die Katze winkelte die Ohren an. Natürlich. Deswegen hast du die Flammen der Zeit überlebt. Ich habe das Leben eines Narren angeboten, und sie haben dein Gedächtnis genommen bis zu dem Zeitpunkt, als du den Verstand verloren hattest, aber damit auch deinen Wahnsinn.
W i eder schüttelte er den Kopf. »Nein. In Kading reichten m eine Erinnerungen noch nicht so weit z u rück. Ich weiß noch immer nicht, was es war, aber es…» Er verstu mm t e, als sich ihnen hastige, abgehackte Schritte näherten. Drei zerzauste Gestalten liefen rasch durch den Regen, um sich neben Yen Tao-tzu unterzustellen. Eine von ihnen hatte blaues Gefieder.
»Ah«, sagte Guin, als sie zu Res schaute. »Die Prophetin ist aufgewacht.«
»Ihr seid noch am Leben ? «, fra g te Res, besann sich und wiederholte m it m e hr Begeisterung: »Ihr seid noch am Leben!«
Guins Knopfaugen glühten wie schwarze Kohlen. »Euch haben wir das nicht zu verdanken. W enn Ihr Leben aus dem Tod bringen könnt, dann habt Ihr das bis jetzt nicht getan. Nur noch drei von uns sind übrig, und unser Lu f t schi f f ist ze r stö r t!«
Das kommt davon, wenn man so dumm ist, einen Glücksdrachen als Rohmaterial zu benutzen, komm e ntierte die Katze, doch auf Guin schien s i e d as Spektrum ihrer Ansprechpartner n i cht a u sgedehnt zu haben, denn die Vogelfrau beachtete sie nicht. Res setzte s i ch auf und erkannte endlich die Decke, unt e r der sie gelegen hatte. Es war der klägliche, durchlöcherte und auf gar keinen Fall m ehr tragfähige Überrest ihres fliegenden Teppichs.
Sie brach in Tränen aus.
»Nun, wenigstes tut es Euch diesmal Leid«, m e inte Guin sichtlich befriedigt.
»D a m e Gu i n«, sagte Yen Tao-tzu höflich, aber bestim m t , »es ist ein W under, dass Ihr und Eure Freunde überhaupt noch am Leben seid.«
»Nein, es liegt daran, dass wir im vordersten Teil des Drachen waren und gesehen haben, wohin Ihr verschwunden seid, als Ihr uns einfach im Stich gelassen habt.«
Ihren ar m en, zerfetzten Teppich in der Hand, m u r m elte
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