Der König der Narren
Erinnerungen.« Er zupfte an Res’ Haar. »Aber warum stehen wir hier nur heru m ? Das ist langweilig. Bewegung, Bewegung!«
So, der dünnste der Vogelleute, p r otestierte: » A ber ich bin schon sehr alt. Meine Federn sind aus g efranst, und es wachsen m i r keine neuen. Und ich kann m i ch nicht eri n nern, dass je m als irgendwer versucht hätte, sich zum Kaiser von P hantásien zu krönen. Doch viele von diesen hier« er m achte eine etwas hilflose Ar m b e w egung in Richtung der Talbewohner »sind jünger als ich.«
»Sie sehen nur so aus«, sagte Y e n Tao-tzu in bitterem Ton und schaute einem kleinen Jungen nach, der einen dreieckigen Steinblock über eine der Treppen ins Nirgendwo wälzte.
»Ich weiß nicht, wie viel Zeit v e r g angen ist, s eit ich zum erst e n Mal hierher ka m , aber dieser Knabe war schon da m als hier.«
Das Äffch e n nickte. »Wenn sie i h re letzten Erinnerungen verlieren, hören si e auf zu wünschen. Sie hören auf sich zu verä n dern. Das Leben ste h t für sie stil l , jetzt und für im m er«, sagte es u n erwartet ernst. »In ihrer W elt können Jahrh u nderte vergehen, und sie altern nicht.«
»In ih r er W elt?«, f ragte Res, um üb e rhaupt etwas zu sagen. K eine Erinnerungen. Kein Verstand. Das bedeutete…
»Nun, keiner von ihnen stam m t a u s Phantásien. Es sind Menschenkinder.«
Die Katze s trich um Res’ Beine. Menschen bekommt der Aufenthalt hier nicht, wenn sie zu lange bleiben, sagte sie. Keine sehr zuverläs s igen Wesen. Im einen Mome n t stellen s i e einem etwas zu fressen hin, und im nächsten wird man in ein fürchterlich stinkendes Gefährt gesteckt und z u m Tierarzt geschleift. S i e glau b en, sie kön n ten mit einem machen, was sie wollen, und sie halten sich für die Herrscher ihrer Welt, nur weil sie a uf zwei Bei n en gehen, was natürlich Unsinn ist. Wir Katzen sind die Herrscher d ort.
Zu einem anderen Zeitpunkt hätte Res gefragt, woher die Katze so viel von der Menschenwelt wusste, doch jetzt suchte sie verzweifelt nach einem Funken Hoffnung. »Ab e r Yen Tao-tzu kann sprechen, und er hat sein Gedächtnis wiedergefunden«, brach es aus ihr hervor.
»Dann m üsste es doch eigentlich auch für die anderen m öglich sein!« Das Äffchen sprang auf den Boden und begann sich hingebungsvoll m it seinen Zehen zu beschä f tigen. Ohne aufzublicken, erwiderte es: »Unser Narrenkönig hier war im m er ein be s onderer Fall. Die anderen wussten nicht, was auf sie wart e te. Nur einer d e r Kai s er fand schon lange vor seiner Krönung, lange bevor er seinen letzten Wunsch verschwendete, heraus, in welcher Ge f ahr er sich befand.
Und er…«
Inzwischen konnte sie sich der Schlussfolgerung nicht m ehr verweigern. Mi t der Stimme der Für s tin von Kading im Ohr schnitt Res dem Äffch e n das W ort ab. »Er wol l te sich zerstören«, vollendete sie harsch. »Er wich dieser Stadt nic h t aus, weil es genau das war, was er sich wünschte. Ein Dasein als Narr ohne W orte und Erinnerung.«
KAPITEL 15
***
In einem H a us, das im Prinzip nur aus Fenstern bestand, war m an im m erhin im Trocknen. Die Überl e benden von Sto-Vo-Kor taten ihr Bestes, um aus ein paar feuchten St öcken, die sie unterwegs aufgelesen hatten, ein Feuer zu zaubern, während die Katze, die eine Maus erle g t hatte, dabei war, s ie zu verzehren. Res und Yen Tao-tzu saßen sich gegenüber. Er hielt seine Hände gegeneinander gepresst, wie schon ein m al, doch er wich ihren Augen nicht m ehr aus.
»Ich weiß w i rklich n i cht, was ich tat, um Phantásien zu retten, oder warum ich m ir wünschte, alles zu vergessen«, sagte er leise zu ihr. »Inzwischen erinnere ich m i ch an Lo-yang und m ein Leben dort. Ich erinnere m ich an die Fürst i n von Kading, und ich weiß, dass sie m i ch erkannt hat. Ich erinnere m i ch an m ein Leben hier, in der Alten Kaiser Stadt. Und ich weiß, dass ich etwas Schreckliches g etan haben m uss, entweder in m einer Welt oder hier. Aber was es war, bleibt m ir verborgen. E s war der K ern m eines Wunsches zu vergessen, und die Macht des G l anzes ist groß.«
Res hatte es aufgegeben, wütend darüber zu sein, dass sie alle möglichen Ge f ahren völlig u m sonst durchge m acht hatten, während der Mann, den sie suchte, schon seit Sto-Vo-Kor bei ihr war. Schwerer fiel es, ihren Zorn zu unterdrü c ken, wenn sie an die verlorene Zeit dachte und daran, dass s ie nicht wu s ste, ob das Nichts m ittlerweile in die Ebene von Kenfra
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