Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
Pfund sind nur sein Bonus.«
Der Gildewärter betrachtete ihn nachdenklich und sagte dann leise: »Wisst Ihr, ich kann ihn verdammt gut verstehen. Vielleicht hätte ich in seiner Situation das Gleiche getan.«
Jonah zuckte leicht zusammen und hob den Kopf. »Ah ja? Ihr hättet einen gültigen Vertrag gebrochen, um einem Konkurrenten das Kreuz zu brechen?«
»Ja!«, fuhr Greene ihn an. »Vielleicht hätte ich das. Wenn er ein so unerträglich arroganter, selbstgefälliger Gernegroß wäre wie Ihr, könnte ich durchaus in Versuchung kommen, meine Grundsätze zu missachten, um ihm eine Lektion zu erteilen!«
»Nun, das braucht Ihr nicht mehr, Sir, er hat es ja getan.« Jonah erhob sich.
»Ihr bleibt da sitzen, mein Junge, und hört mir zu!«
»Nein. Ich glaube nicht, Sir. Ich kenne meine Fehler und habe kein gesteigertes Interesse daran, sie mir von Euch noch einmal vorbeten zu lassen. In meiner grenzenlosen Einfalt habe ich geglaubt, Ihr würdet mir den Weg zeigen, den ich selbst nicht sehe, aber nichts läge Euch ferner. Ich habe gegen die Regeln verstoßen, indem ich die Kaufmannsehre meines erbärmlichen Vetters verletzt habe, dessen einzige Tugend darin besteht, dass er älter ist als ich. Und was tut Ihr? Ihr stellt Euch auf seine Seite, weil er zu den Alteingesessenen gehört, weil Ihr Euch von Leuten wie mir und Elia Stephens bedroht fühlt.«
»Das tue ich nicht …«
Jonah ließ sich nicht unterbrechen. »Arroganz und Selbstgefälligkeit werft Ihr mir vor, ja? Ihr habt Recht. Aber seht Euch selbst an, Sir. Sehr Euch einmal genau an. Und dann gesteht Euch ein, was Ihr erkennt.«
Er wandte sich ab und ging zur Tür. Es kostete ihn große Mühe, nicht zu hinken, und darum kam er langsamer voran, als ihm lieb war.
»Jonah«, sagte Greene beinah beschwörend. »Geht nicht so fort. Ihr müsst Euch beruhigen und mäßigen. Geht zur Beichte. Sprecht mit Vater Gilbert. Und dann kommt wieder her, ich will Euch doch helfen.«
Jonah hielt weiter auf die rettende Tür zu. »Nein, Sir, Ihrwollt mich kontrollieren. Helfen kann mir jetzt wohl nur noch ein Mann.«
»Gott steh Euch bei, wenn Ihr das tut, was ich befürchte, mein Junge. Ihr verkauft Eure Seele!«
Jonah legte die Hand auf den Türriegel. »Dann werde ich endlich einer von euch sein.«
Das Haus lag an der Old Jewry, dem Viertel, das einstmals die Londoner Juden bewohnt hatten. Nachdem König Edwards Großvater sie alle aus dem Land gejagt und ihre Besitztümer konfisziert hatte, waren die teilweise sehr stattlichen Häuser an englische Kaufleute versteigert worden. Die Krone hatte ein exzellentes Geschäft gemacht. Einst gemieden, war es heute eine vornehme Gegend, und jetzt, am Sonntag, lag die Straße ruhig, geradezu verlassen da.
Jonah fand sein Ziel, nachdem er an zwei falschen Toren geklopft und schließlich von einer zickigen Magd zu dieser Tür gewiesen worden war. Er musste sich zwingen, den Arm zu heben, um zu klopfen. Dies war wohl der schwerste Gang, den er in seinem zwanzigjährigen Leben je unternommen hatte. Er erinnerte sich an nichts, das ihm schwerer gefallen, das seiner Natur mehr zuwider gewesen wäre. Und er war in denkbar schlechter Verfassung, fühlte sich schon jetzt elend und besiegt. Er wollte sich in einen stillen Winkel verkriechen und seine Wunden lecken. Aber dazu fehlte ihm die Zeit. Er musste jetzt eine Lösung finden, heute. Und ohne jede Hilfe. Martin Greenes schroffe Zurückweisung hatte ihn härter getroffen, als er zugeben konnte. Aber es hatte auch etwas Beruhigendes, endlich einmal sein eigener Herr zu sein. Wenn auch vielleicht nur für zwei Tage, dachte er düster. Bis sie ihn einsperrten. Und das würden sie, wenn er jetzt auch nur einen einzigen Fehler machte.
Er atmete tief durch, hob die Rechte und pochte ans Tor. Nach ein paar Augenblicken öffnete ihm ein Page, dessen Livree fein genug war, um zum Haushalt eines mächtigen Adligen zu gehören.
»Ihr wünscht, Sir?«
»Mein Name ist Jonah Durham. Sag deinem Herrn, er kennt mich nicht, aber ich bitte ihn höflichst um zwei Minuten seiner kostbaren Zeit.«
»Seid Ihr sicher?«, fragte der Bengel und betrachtete ihn abschätzig. »Am Sonntag?«
»Richte aus, was ich gesagt habe«, fuhr Jonah ihn an.
Unbeeindruckt und ohne alle Eile schloss der Page die Tür vor Jonahs Nase, und man hörte seine Schritte, die sich gemächlich entfernten.
Jonah kam es vor, als ließe man ihn eine Ewigkeit warten. Nervös fuhr er sich über die Stirn und bereute es
Weitere Kostenlose Bücher