Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
was für ein Mann Master Rupert ist. Und er hat einen Denkzettel verdient, schon allein wegen Annot. Aber Ihr werdet Schwierigkeiten mit der Gilde bekommen, wenn Ihr ihn offen bekriegt. Das kann kein gutes Ende nehmen.«
»Oh, weiser Crispin.« Jonah lachte leise. »Du hast mich auf eine wunderbare Idee gebracht.«
Woodstock, Mai 1332
P hilippa hatte eine Prinzessin zur Welt gebracht, die zu Ehren der Königinmutter auf den Namen Isabella getauft worden war. Natürlich wäre ein zweiter Prinz allen lieber gewesen, doch die allgemeine Enttäuschung hielt sich in Grenzen. Edward, der zweijährige Thronfolger, war ein kerngesunder, pausbackiger Junge; es bestand kein Grund, um sein Leben zu bangen. Und da die Königin von Kastilien vor kurzem einen Infanten geboren hatte, riet Erzbischof Stratford, der erfahrene Chancellor, dem König, einen Boten nach Kastilien zu schicken und eine Ehe zwischen der kleinen Isabella und Prinz Pedro zu vermitteln, ehe irgendein anderer Herrscher auf dem Kontinent ihm zuvorkam.
König Edward, so hieß es, war rettungslos vernarrt in seine Tochter. Er überschüttete die Königin mit Geschenken, neuen Kleidern und Geld und willigte freudestrahlend ein, als sie vorschlug, Isabella zu Ehren ein großes Fest und ein Turnier zu veranstalten.
Woodstock lag etwa zehn Meilen nördlich von Oxford, zwei Tagesritte von London entfernt. Jonah kam unbeschadet dort an, denn er hatte nach längerem Zögern das Angebot des Lord Mayor von London, John Pulteney, angenommen, sich ihm und den übrigen Londoner Kaufleuten, die geladen waren, anzuschließen.Mit Gefolge bildeten sie eine Reisegruppe von über dreißig Leuten, was Jonah ganz und gar nicht behagte, doch es bedeutete Sicherheit. Er ritt für sich allein und bildete meist die Nachhut. Niemand behelligte ihn. Auch Martin Greene, der ebenfalls mit von der Partie war, ließ ihn zufrieden. Seit ihrem Streit vor zwei Monaten hatten sie bis auf einen steifen Gruß dann und wann kein Wort gewechselt. Wenn es nach Jonah ging, konnte es dabei bleiben. Noch ein weiterer Mann hielt sich von den übrigen Reisegefährten fern oder wurde von ihnen gemieden. Es war schwer zu entscheiden, was von beidem der Fall war. Sein Name war Giuseppe Bardi, und er gehörte zu einem der beiden großen florentinischen Adelsgeschlechter, die in allen wichtigen Städten der christlichen und auch der heidnischen Welt Bankhäuser unterhielten, so auch in der Londoner Lombard Street. Jonah beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Er hatte ein großes Interesse an diesem Mann. Aber er wollte erst nach ihrer Ankunft mit ihm reden – es war ja nicht nötig, dass gleich die halbe Londoner Tuchhändlergilde Zeuge wurde.
Auf den ersten Blick war Woodstock eine Enttäuschung. Das königliche Jagdgut war klein und schlicht, ein wenig beeindruckendes Sammelsurium von hölzernen Bauwerken. Doch im Innenhof waren bunte Zelte errichtet worden, um die vielen Gäste unterzubringen, die Pavillons der Ritter säumten die Turnierwiese wie große farbenfrohe Pilze, und der umliegende Wald strahlte im hellen Frühlingsgrün. Jonah war hingerissen von seiner Schönheit, den vielen Vogelstimmen, den Blumen und dem Rauschen des eiligen Flüsschens Glyme, und er erkannte aufs Neue, was einem entging, wenn man in London lebte.
Ein Stallbursche führte sein Pferd weg, ein junger Diener erkundigte sich nach seinem Namen.
»Jonah Durham.«
»Ah, Master Durham. Euer Zelt ist das kleine mit den roten Längsstreifen und dem grünen Dach an der Ostseite.«
Jonah bedankte sich, machte sein Zelt ausfindig und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass es nur ein Bett hatte. Bett war übertrieben:ein Strohsack und reichlich Decken. Aber das spielte keine Rolle. Lieber verzichtete er auf alle Bequemlichkeit und war allein, als in einem luxuriösen Bett zu nächtigen, das er mit jemandem teilen musste, was bei großen Festen, wenn Schlafplätze Mangelware waren, durchaus üblich war.
Eine Schüssel mit Wasser, dem ein schwacher Rosenduft entstieg, und frisches Leinen lagen bereit, und dankbar wusch er sich den Straßenstaub von Gesicht und Händen.
»Ah, da seid Ihr endlich! Wir haben auf Euch gewartet.«
Jonah ließ das Handtuch sinken und sah sich um. Gervais of Waringham und Geoffrey Dermond, die beiden unzertrennlichen Ritter und Leibwächter des Königs, standen im Eingang.
»Wir machen einen Zug ins Dorf«, erklärte der dunkelhaarige Dermond. »Und wir haben beschlossen, Euch mitzunehmen,
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