Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
brach sich ein Stück von dem harten braunen Brot ab, das auf dem Tisch lag. Sie standen in der Küche.
Rachel schnitt eine Zwiebel und wischte sich die Tränen aus den Augen. Mit dem Messer zeigte sie zur Decke. »Er ist oben.«
Jonah nickte. Er kaute auf dem altbackenen Brot, stundenlang, so schien es ihm, und als er endlich schlucken konnte, bemerkte er: »Du siehst selbst nicht gerade blendend aus. Bist du krank, Rachel?«
»Nein.« Sie hackte die Zwiebel in kleine Stückchen, schneller, als das Auge folgen konnte.
»Sie bekommt ein Kind«, sagte Meurig in die kurze Stille hinein. Er saß am Herd und schnitzte an einem Stück Holz herum, das offenbar einmal ein Löffel werden sollte.
Jonah war nicht über die Maßen begeistert, denn er liebte die Ruhe in seinem Haus – der Gedanke an ein ewig plärrendes Balg unter seinem Dach erfüllte ihn mit Unbehagen. Und Schwangerschaften brachten nichts als Verdruss, selbst wenn sie ja offenbar nicht alle so katastrophal verliefen wie Elizabeths. Aber er ging nicht mit einem unwilligen Nicken zur Tür, wie Meurig und Rachel erwartet hatten. Jonah wusste nicht so recht, wie er dieses Gefühl von Dankbarkeit handhaben sollte, das ihn plagte, seit er William de la Poles Haus verlassen hatte. Es war so ungewohnt,dass er nichts anderes tun konnte, als tatenlos zuzulassen, dass es ihn milde stimmte. Im Vorbeigehen legte er seiner Magd kurz die Hand auf den Arm. »Gott segne dich, Rachel.«
»Ihr wollt nicht, dass wir fortgehen?«, fragte sie ruhig, aber ihre Stimme war belegt.
Jonah öffnete die Tür. »Ich bin doch nicht verrückt.«
Sie hörten ihn die Treppe hinaufsteigen, und Meurig legte sein Messer und den wenig formschönen Löffel beiseite, stand auf und nahm seine Rachel in die Arme. »Was hab ich dir gesagt?«
»Ach, jetzt tu doch nicht so«, brummte sie, machte sich los und hackte auf die nächste Zwiebel ein, als wolle sie sie in Brei verwandeln. »Du hast doch selbst geglaubt, er jagt uns davon.«
Meurig seufzte tief. »Ich war wirklich nicht sicher. Wie kommt es wohl, dass er plötzlich so zufrieden ist wie eine Katze nach einer Schale Milch? Gott, du hättest ihn sehen sollen gestern Abend. Er war nicht nur übel zugerichtet. Es war noch irgendwas anderes.«
Rachel schabte die Zwiebelstückchen in den Topf, in welchem eine Brühe aus dunklem Bier und Honig vor sich hin köchelte. »Ich nehme an, Rupert hat wieder einmal versucht, ihm das Kreuz zu brechen. In jeder Hinsicht.«
»Wenn das stimmt, dann hat dieses Mal nicht viel gefehlt.«
Sie hob die Schultern. »Dann möchte ich nicht mit Rupert tauschen. Obwohl … gerade jetzt würde ich wohl mit jedem tauschen, dem nicht schlecht wird, wenn er Biersuppe riecht. Rühr du mal, sei so gut. Ich muss an die Luft.«
Crispin saß auf der breiten Fensterbank, hatte die Hände auf dem angewinkelten Knie verschränkt und sah in den Hof hinab. Die Dämmerung war weit fortgeschritten, aber er hatte kein Licht gemacht. Die Halle lag im Zwielicht.
»Warst du zu Hause?«
Der Junge schreckte zusammen, entdeckte Jonah und stand auf. »Ja. Alles in Ordnung. Am Sonnabend nach Ostern heiratet meine Schwester Sir Walter Burnett, einen Ritter aus Dorset,stellt Euch das vor. Meine Eltern sind ganz aus dem Häuschen vor Stolz.«
»Das kann ich mir denken.« Auch wenn der Ritter die Kaufmannstochter vermutlich vornehmlich wegen ihrer Mitgift nahm, bedeutete die Verbindung doch großes gesellschaftliches Ansehen für die Familie.
»Mein Vater lässt Euch Grüße ausrichten.«
»Danke.«
»Das Pferd ist wunderbar. Ich war in Windeseile dort und wieder zurück. Die Leute in Westminster haben die Köpfe zusammengesteckt und sich gefragt, wie Crispin Lacy wohl an einen so kostbaren Gaul kommt.«
»Der immer noch keinen Namen hat«, bemerkte Jonah und setzte sich an den Tisch.
»Na ja, ich hab mir überlegt … wie wär’s mit Grigolet?«
»Ein seltsamer Name. Was soll das bedeuten?«
»Sir Walter, der Bräutigam meiner Schwester, hat uns nach dem Essen eine Geschichte erzählt. Von einem Ritter namens Gawain. Und dessen Pferd hieß Grigolet.«
Dann war es ein unpassender Name für das Pferd eines Tuchhändlers, fand Jonah, aber er wollte, dass dieses leidige Thema endlich einmal geregelt wurde. »Einverstanden.«
Damit schienen sie sich alles gesagt zu haben, und ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus wie beizender Qualm.
»Ich mache Licht«, sagte der Junge nervös und wollte zum Feuer gehen, um an der
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