Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
sind«, knurrte Sheriff Brembre. »Hätte er auf mich gehört, wäre das alles nicht passiert.«
Jonah senkte wiederum demütig den Kopf und biss die Zähne zusammen. Es war ihm zuwider, vor dem aufgeblasenen Sheriff zu Kreuze zu kriechen, der sicher seinem Busenfreund Adam Burnell davon berichten würde. Aber er sagte kleinlaut: »Ich fürchte, der Sheriff hat Recht, Mylord. Ich habe mich in dem Flamen getäuscht.«
Der Lord Mayor nickte versonnen und sah lächelnd auf seinen jungen Gildebruder hinab. Er fand Gefallen an Jonah Durham und fühlte sich ihm aufgrund ihrer gemeinsamen Beziehungen zum Hof und des unvergesslichen Festes von Woodstock, dem sie beide beigewohnt hatten, verbunden. Doch bei allem Wohlwollen konnte er ihm Vorwürfe nicht gänzlich ersparen. »Nun, nach allem, was ich gehört habe, wäre dann wohl eine Entschuldigung fällig, nicht wahr?«, fragte er freundlich.
Jonah hatte geahnt, dass ihm das nicht erspart bleiben würde. Er verneigte sich vor Brembre. »Ich bedaure meine unbedachten Worte und bitte Euch um Verzeihung, Sir«, sagte er steif und dachte, Niklas wie-auch-immer-du-heißt, dafür schuldest du mir ein Dutzend Ballen deiner feinsten Wolle.
Bürgermeister Pulteney nickte zufrieden. »Nun denn. Damit wäre diese unschöne Geschichte im Großen und Ganzen wohl erledigt. Bleibt die Frage, was mit dem Wärter Winfred geschehen soll und wie wir den Flamen wieder einfangen.«
Brembre brummte missgelaunt und schüttelte den Kopf. »Der ist längst über alle Berge. Meine Männer waren bei Durhams Haus, um die Frau des Flamen festzusetzen, aber sie war fort. Seit gestern Abend verschwunden, sagen Durhams walisischer Diener und der Lehrjunge. Meine Leute haben die Ropery und den Hafen durchkämmt, aber erfolglos. Vermutlich sind sie schon auf dem Weg in die Heimat. Ein Dieb mehr, der seiner gerechten Strafe entgeht, dieser dank Durhams Leichtsinn. Dafür hätte er wahrlich verdient, noch ein paar Tage in der Tonne zu schmoren. Und der Wärter gehört an den Pranger«, schloss er seine Rede, die wie das Grummeln eines nahenden Gewitters klang. Brembre war immer noch beleidigt. Jonaherkannte, dass er sich wieder einmal einen mächtigen Feind geschaffen hatte.
Winfred von der Tonne war bleich geworden, aber der zweite Sheriff kam ihm unerwartet zur Hilfe. »Nein, nein, Lucian, das können wir nicht machen. Seine ehemaligen Schäfchen würden ihn in Stücke reißen, und er ist eigentlich ein guter Mann auf seinem Posten.«
Jonah wollte alles in allem lieber nicht hören, was er Winfred eingebrockt hatte. Er verneigte sich vor den drei höchsten Würdenträgern der Stadt. »Wenn das alles war, Mylords …«
Pulteney nickte lächelnd. »Geht mit Gott, Master Durham. Seid Ihr am kommenden Sonntag frei? Dann kommt zum Essen. Ich würde gern mit Euch reden, ehe das Herbstparlament beginnt und man vor lauter Politik keine Zeit mehr fürs Geschäft hat.«
Verwundert, aber nicht wenig erfreut über diesen unerwarteten, öffentlichen Gunstbeweis nahm Jonah an und verabschiedete sich.
Ihm graute ein wenig vor dem langen Fußmarsch zurück in die Ropery. Er fühlte sich müde und zerschlagen nach dieser Nacht, denn aus Furcht vor dem Gesindel in der Tonne hatte er kein Auge zugetan. Außerdem war er furchtbar hungrig, und es wurde schon wieder heiß. Doch als er aus der schattigen Guildhall ins gleißende Sonnenlicht hinaustrat, entdeckte er Meurig mit Grigolet.
Jonah lächelte erleichtert. »Dich schickt der Himmel.«
Meurig überreichte ihm lachend die Zügel und bemerkte: »Mein Vater hat immer gesagt, ich hätte den Teufel im Leib.«
Jonah saß auf. »Vermutlich ist beides wahr.«
Sie machten sich auf den Heimweg, und als sie die Guildhall weit hinter sich gelassen hatten und auf der West Cheap waren, fragte Jonah endlich: »Wie ist es gegangen? Als der Sheriff sagte, er habe seine Leute zu meinem Haus geschickt, dachte ich, mir bleibt das Herz stehen.«
Meurig nickte. »Das dachte ich auch. Aber sie haben das Haus nicht durchsucht. Sie waren kein bisschen misstrauisch. Es warsehr schlau von Euch, Euch als Niklas’ Opfer auszugeben, Sir. Gestern habe ich erst mal mit Maria ihre Kinder geholt. Zwei süße Mädchen und ein kleiner Kobold von einem Sohn.«
Großartig, dachte Jonah. Mein Haus füllt sich mit Bälgern.
»Sie waren wohlauf, aber Maria war untröstlich wegen Niklas. Der kam dann schließlich kurz nach Einbruch der Dunkelheit mit Grigolet und einem kleinen Krüppel ans Tor und
Weitere Kostenlose Bücher