Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
geplant. Jetzt führe unseren Gast herein und verschwinde.«
Der schlaksige Giuseppe Bardi trat in das kleine Gemach, wartete, bis der Diener die Tür geschlossen hatte, und sah sich dann kurz um.
Gervais betrachtete ihn amüsiert. »Seid ihr neugierig oder befremdet, Bardi? Man kann Eurer Miene nie etwas ansehen.«
»Das ist das Erste, was man in meinem Geschäft lernen muss, Mylord«, erklärte der Italiener, ohne die Frage zu beantworten.
Gervais winkte ihn zu dem Loch in der Wand und raunte: »Macht Euch auf etwas gefasst. Es heißt ja, bei euch Italienern sei alles erlaubt, aber ich jedenfalls habe so was noch nie gesehen.«
Bardi lehnte die Stirn an die Wand, kniff das linke Auge zu und schaute mit dem rechten hinunter in den Badesaal. Er fuhr nicht zusammen, gab keinen Ton von sich, blickte ohne jede Regung auf das wilde Treiben hinab. »Welcher ist der werte Vetter unseres Freundes?«, fragte er schließlich, anscheinend vollkommen ungerührt.
»Der mit dem schwarzen Bart.«
Giuseppe sah zwei Männer mit schwarzen Bärten, aber bei genauerem Hinsehen stellte er fest, dass einer davon eine gewisseÄhnlichkeit mit Jonah Durham aufwies. Er betrachtete ihn noch ein paar Herzschläge lang. Ein Bankier hatte nicht oft Gelegenheit, so ungeschminkte Wahrheiten über einen angehenden Schuldner zu erfahren wie hier. Schließlich trat er von dem Guckloch zurück und nickte mit einem verhaltenen Lächeln.
»Und? Was meint Ihr?«, fragte Dermond gespannt.
»Ich denke, er ist schon dabei, in sein Verderben zu rennen. Mit langen Schritten. Unsere Aufgabe sollte nicht schwierig sein.«
Gervais of Waringham nickte unbehaglich. »Dann lasst uns gehen, ehe ich mich auf die Gebote meiner Ritterehre besinne.«
»Aber hast du nicht gehört, was ich sage, du unverschämter Flegel, ich bin bestohlen worden!«, brüllte Rupert. »Hier, in diesem gottverdammten Haus!«
»Ich muss Euch ersuchen, Euch zu mäßigen, Sir«, erwiderte Cupido würdevoll. Dann runzelte er besorgt die Stirn. »Ihr seid ein geschätzter Kunde dieses Hauses, Sir, aber bei allem Entgegenkommen … Heute ist das zweite Mal, dass Ihr nicht zahlen könnt«, flüsterte er eindringlich.
»Sag mal, bist du taub?« Rupert packte ihn roh am Arm. »Ich hatte über zwei Pfund in meiner Börse, und jetzt ist sie weg ! Wer sagt mir, dass nicht du sie genommen hast?« Rupert hatte die Absicht gehabt, den Hänfling mit dem hübschen Gesicht gehörig durchzuschütteln, aber dieser kleine Hurenwirt glitt geschickt zur Seite und tat irgendetwas, das Hillock aus dem Gleichgewicht brachte. Der große Kaufmann wäre gestürzt, hätte Cupido ihn nicht gestützt.
»Ihr seid erzürnt und betrunken, Sir«, bemerkte er leidenschaftslos. »Darum nehme ich nicht übel, was Ihr gesagt habt. Aber ich muss Euch darauf hinweisen, dass ich ermächtigt bin, Gästen, die sich nicht zu benehmen wissen, Hausverbot zu erteilen.«
»Du verfluchter kleiner …«
»Kann ich Euch vielleicht behilflich sein, Sir?«, fragte eine höfliche Stimme.
Rupert fuhr herum und schwankte. Blinzelnd betrachtete er die drei jungen Männer, die unbemerkt die Treppe heruntergekommen waren.
»Kaum«, versetzte er mit dem übertrieben sarkastischen Tonfall eines Trunkenen. »Es sei denn, Ihr seid gewillt, mir ein Pfund zu leihen. Meine Börse ist gestohlen worden, und dieser Tölpel hier will mich nicht gehen lassen.«
»Wenn Ihr mir Euren Namen sagt, Sir, werde ich Euch gerne aushelfen«, erwiderte der junge Mann mit dem schweren Akzent ungerührt.
Rupert blinzelte ein bisschen schneller. »Ist das Euer Ernst?« Plötzlich lächelte er befreit. Er riss sich zusammen und wirkte mit einem Mal sehr viel nüchterner – eine Gabe, die Jonah früher oft in Erstaunen versetzt hatte. »Mein Name ist Rupert Hillock, Sir. Und ich wäre Euch sehr verbunden für Eure Hilfe.«
Der Fremdling nickte ernst, öffnete den kostbar bestickten Beutel an seinem Gürtel, fischte ein paar Münzen heraus und zählte sie in Cupidos ausgestreckte Hand. Der junge Diener lächelte erleichtert und verschwand.
Rupert war überwältigt vor Rührung und legte seinem Wohltäter einen keulengleichen Arm um die mageren Schultern. »Ich bin Euch wirklich sehr dankbar. So etwas erlebt man nicht gerade oft in London, wisst Ihr.«
Der junge Italiener winkte bescheiden ab. »Nicht der Rede wert, Master Hillock. Das ist mein Beruf, wisst Ihr.«
»Tatsächlich? Welch eine glückliche Fügung. Selbstverständlich werde ich Euch
Weitere Kostenlose Bücher