Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
Meurig. Du gehst Wasser holen, Crispin. Und anschließend bringst du den feinen Herrschaften ihr Bier.«
Widerspruchslos folgten sie ihren Anweisungen.
Maria hatte die Hände im Schoß gefaltet und knetete nervös ihren Rock. Ihr Mann saß neben ihr, einen Ellbogen auf den Tisch gestützt. Er war gelassener. Jetzt, da Jonah ihn bei Tageslicht sah, erkannte er das strahlende Blau seiner Augen. Sie wirkten klug und funkelten von etwas, das Übermut sein mochte. Niklas schien trotz seiner untersetzten Statur behände. Die Muskeln, die seine schwere Arbeit mit sich brachte, zeichneten sich deutlich unter dem etwas fadenscheinigen Kittel ab. Jonah betrachtete verstohlen die kräftigen, aber doch feingliedrigen Finger. Sie waren wie geschaffen für sein Handwerk.
»Ich weiß nicht, wie ich mich erkenntlich zeigen soll für das, was Ihr für mich getan habt, Master Durham«, bekannte der Weber ernst. »Ich hätte nur zu gern das wundervollste Tuch für Euch gemacht. Aber Euch wird sicher am besten damit gedient sein, wenn wir möglichst schnell verschwinden. Ich denke, wir gehen in eine andere Stadt und versuchen dort unser Glück.«
Maria warf ihm einen nervösen Blick zu. »Wie stellst du dir das vor? Wer soll uns Arbeit geben? Wir können uns ja mit den meisten Leuten nicht einmal verständigen.«
»Ihr braucht nicht fortzugehen«, erklärte Jonah ihnen. »Nur für eine Weile.«
»Bis Gras über diese Sache gewachsen ist, meint Ihr?«, fragte Niklas skeptisch. »Aber ich habe niemanden bestohlen. Man hat mich zu Unrecht beschuldigt, weil ich Ausländer bin. Wer sagt mir, dass es nicht wieder passiert?«
»Es gibt ein paar mächtige Leute in dieser Stadt, die keine Flamen hier haben wollen. Einem von ihnen gehört die Kogge, auf der ihr hergekommen seid. Er hat die Geschichte eingefädelt, um mir eins auszuwischen. Und der Königin. Doch es wird nicht wieder passieren.«
»Aber wenn wir für eine Weile fortgehen und dann wiederkommen, wird man Niklas nicht wieder verhaften wegen dieses Diebstahls, den er nie begangen hat?«, fragte Maria besorgt.
Jonah schüttelte den Kopf und fragte den Weber: »Hat irgendwer nach deinem Namen gefragt?«
»Nein.«
»Gut. Das erspart dir, einen neuen annehmen zu müssen. Ich sage euch, was wir tun: Ihr werdet für ein paar Wochen verschwinden. Dann kommt ihr in aller Stille wieder und nehmt eure Arbeit in meiner Weberei auf. Niemand wird im Traum darauf kommen, dass du derselbe Flame sein könntest, der mich niedergeschlagen und in der Tonne zurückgelassen hat. Niemand wird dich erkennen. Für uns sehen ohnehin alle Flamen gleich aus.«
Niklas lehnte sich auf dem harten Holzstuhl zurück, ließ einen Arm über die Rückenlehne baumeln und fing langsam an zu grinsen. Dann lachte er leise. »Das ist so tollkühn, dass es klappen könnte.«
»Sollte es weitere Schwierigkeiten geben, was ich nicht glaube, werde ich der Königin erzählen, was geschehen ist«, fuhr Jonah fort. »Sie kann nicht offen gegen einen Sheriff von London vorgehen, aber seid versichert, sie wird eine schützendeHand über euch halten. Ihr ist sehr daran gelegen, dass gelingt, was wir vorhaben, und dass andere Flamen eurem Beispiel folgen.«
»Bringt Ihr uns zu ihr?«, fragte Maria hoffnungsvoll. »Werden wir sie sehen?«
Jonah schüttelte den Kopf. »Es geht nicht. In wenigen Tagen beginnt das Parlament, und der Hof kehrt nach Westminster zurück. Ihr müsst aufs Land.« Er brach ab.
Niklas sah ihn erwartungsvoll an.
Jonah wich seinem Blick aus und atmete tief durch. Wo bleibt Rachel mit dem verdammten Bier? Er war furchtbar durstig, von Hunger ganz zu schweigen. Er hätte sich lieber gestärkt, ehe er zum haarigen Teil seines Plans kam. Nichtsdestotrotz gab er sich einen Ruck und erklärte: »Ich weiß nur einen Menschen, zu dem ich euch schicken könnte. Es ist ein abgelegenes kleines Landgut in Essex, gar nicht weit von hier. Dort wäret ihr gut versorgt und in Sicherheit. Nur …«
»Nur?«, fragte Maria ermutigend.
Er sah von ihr zu Niklas. »Dort wohnt eine Frau … vorübergehend. Ich kenne sie schon lange, sie lebte früher im Haus meines Lehrmeisters. Ich weiß, dass ich ihr vertrauen kann. Aber sie ist …«, Gott, ich schwafle wie ein Waschweib, »sie ist eine Hure und schwanger.«
Maria und Niklas sagten nichts, aber von der Tür kam ein seltsam erstickter Laut, der ein Schrei gewesen wäre, hätte die Stimme mehr Kraft gehabt. Jonah wandte den Kopf. Crispin stand mit einem Tablett
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