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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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erteilte, aber ebenso richtete er Wettkämpfe im Ringen und anderen sportlichen Disziplinen aus, denn er wusste, dass junge Männer schnell auf dumme Gedanken kamen, wenn man ihnen keine Gelegenheit bot, überschüssige Kraft abzuarbeiten. Vater Gilbert fand auch, dass der Wettstreit ein hervorragendes Mittel sei, ihren Charakter zu formen und zu bilden. Jonah war ein guter Ringer und schneller Läufer, aber er hätte trotzdem gern auf die Segnungen dieser Bruderschaft verzichtet, denn jede Art von Versammlung war ihm suspekt. Das unablässige Geschwätz und die Prahlerei seiner Altersgenossen gingen ihm unsäglich auf die Nerven. Jonah war einfach viel lieber allein.
    Rupert nahm natürlich keinerlei Rücksicht auf Jonahs Wünsche. Er schickte ihn genau wie Crispin zu jeder der Zusammenkünfte, wann immer er seine Lehrlinge entbehren konnte. Weil heute Abend noch eine große Ladung aus Canterbury eingetroffen war, hatte Crispin zu Hause bleiben und Rupert helfen müssen, den langen, von vier Ochsen gezogenen Karren zu entladen. Jonah hatte sich erboten, mit Crispin zu tauschen, aber Rupert durchschaute seine Absichten und hatte ihn mit unmissverständlichen Worten zur Bruderschaft geschickt.
    Als Jonah heimkam, betrat er das Haus nicht durch den Laden, sondern ging durch die selten benutzte Tür an der linken Seite der Front, die direkt in den Flur führte. Lautlos stieg er die Treppe hinauf, um seiner Großmutter ihr Geld und die Abrechnung zu bringen. Doch als er etwa die Hälfte der Stufen erklommen hatte, vernahm er ihre Stimme aus der Halle: »Hör auf zu flennen, dumme Gans! Das ändert nichts mehr.«
    Jonah wollte den Rückzug antreten, denn er hatte kein gesteigertes Interesse an den Streitigkeiten zwischen Elizabeth und der alten Dame. Ihr ewig gleicher Ausgang machte sie zu einem wenig lohnenden Schauspiel, und man lief immer Gefahr, unversehens zwischen die Fronten zu geraten.
    Doch kaum hatte er kehrtgemacht, hörte er Cecilia fortfahren: »Und spiel hier nicht die geschändete Unschuld! Wärst du Jonah nicht so schamlos nachgelaufen, hätte das alles nicht passieren müssen!«
    Er erstarrte einen Moment, ehe er zögernd weiter die Treppe hinaufging. Szenen waren ihm zuwider. Das galt in ganz besonderem Maße dann, wenn sie in irgendeiner Weise mit ihm zu tun hatten. Aber seine Neugier war größer als sein Widerwillen. An der Tür zur Halle hielt er an. Rupert stand mit dem Rücken zum Fenster. Er hatte das Kinn auf die breite Brust gedrückt, die Keulenarme waren verschränkt. Seine ganze Haltung drückte Ablehnung aus. Elizabeth war nirgends zu entdecken. Cecilia saß am Tisch, kerzengerade wie immer, die Hände auf dem Silberknauf ihres Stocks verschränkt. Ihr Ausdruck war grimmig.
    Ihr gegenüber hockte Annot wie ein armes Sünderlein, zusammengesunken und verweint. Sie entdeckte Jonah als Erste, stützte die Stirn in die Hand und flüsterte: »Gott, lass mich sterben.«
    Cecilia schaute zur Tür und sagte leise: »Es ist besser, du gehst, Junge. Du machst alles nur noch vertrackter. Es hat nichts mit dir zu tun.«
    Er hörte sie kaum. Sein Blick wanderte langsam von Annot zu Rupert. Was hast du getan? Was hast du ihr angetan? Und warum sehe ich erst jetzt, was so deutlich und unmissverständlich ist wie ein Schrei?
    Es war beinah, als könnte Rupert seine Gedanken lesen. Er machte zwei drohende Schritte auf ihn zu. »Warum glotzt du mich so an? Hast du nicht gehört, was Großmutter gesagt hat! Verschwinde!«
    »Nein.«
    Rupert krallte die Linke in Jonahs Gewand. »Wirst du wohl tun, was ich sage, du unverschämter Flegel …«
    Jonah packte das Handgelenk, befreite sich von seinem Griff und ließ es sofort wieder los. »Fass mich nicht noch einmal an!«
    Rupert starrte ihn an, als wären Jonah plötzlich Hörner gewachsen. »Du verfluchter …«
    »Schluss!«, herrschte ihre Großmutter sie an. »Hört sofort auf damit. Rupert, du wirst dich jetzt hinsetzen. Und du auch, Jonah.« Sie hustete leise und presste für einen Augenblick die Hand vor den Mund.
    Ihre Enkel folgten der barschen Anweisung und setzten sich an den Tisch, so weit voneinander entfernt, wie es nur möglich war.
    Jonah überwand seine Verlegenheit und sah zu Annot. Sie erwiderte seinen Blick, schien ihn schon eine ganze Weile anzuschauen.
    »Bist du schwanger?«, fragte er.
    Sie nickte. Ihre blauen Augen erschienen ihm unnatürlich geweitet.
    »Verklag ihn doch«, er ruckte sein Kinn verächtlich in Ruperts Richtung.
    Rupert

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