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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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zu sehen.
    Jonah lachte leise. »Was für ein herber Schlag.«
    Giselle hatte eine Hand an die Kehle gelegt. Sie war todesbleich, ihre Augen wirkten riesig. »Jonah … wie kannst du lachen?«
    »Was soll ich sonst tun? Der König schuldet mir derzeit etwa dreißigtausend Pfund und glaubt, ich wolle ihn um fünfhundert prellen. Ist das vielleicht nicht lächerlich?«
    »Fünfzigtausend«, murmelte Waringham kleinlaut. »Das ist die Summe, um die es geht. Die Englische Compagnie schuldet sie dem König und kann nicht zahlen. Und der Treasurer ist überzeugt, dass du sie in die eigene Tasche gesteckt hast. Aber ich glaube kein Wort davon«, beteuerte er wieder.
    »Und ich werde dir beweisen, dass du dich nicht täuschst«, eröffnete Jonah ihm. »Ich weiß nicht, wer meinen Dordrecht-Schuldschein gefälscht hat und warum, aber das Original liegt in meiner Geldtruhe. Mit der quittierten Teileinlösung. Ich zeige es dir, wenn du mir folgen willst.«
    Er machte auf dem Absatz kehrt und führte Waringham zu seiner Kammer. Auch er brachte den Schlüssel nicht beim ersten Anlauf ins Schloss der Truhe, denn seine Finger bebten vor Zorn. Das war also der Dank. Für all die Dienste, die er dem König erwiesen hatte, damals in Antwerpen und seither immer wieder. Für die märchenhaften Summen, die er ihm beschafft hatte. Für beinah zwanzig Jahre treuer Gefolgschaft und Hingabe an die Königin …
    Er klappte den Deckel mit mehr Schwung als nötig auf, öffnete die Buchdeckel, zwischen denen er seine wichtigsten Urkunden verwahrte, und sah sofort, dass der Dordrecht-Schuldschein fehlte.
    Erkenntnis durchzuckte ihn wie ein heller Lichtstrahl. »Gott steh dir bei, Cecil«, sagte er tonlos.Sie legten den Weg zum Tower schweigend zurück. Viele der Leute auf den belebten Straßen erkannten Master Durham und grüßten ehrerbietig, bewunderten sein silberbesticktes Surkot oder sein prächtiges Pferd, ahnungslos, wohin sein Weg führte. Wenn einer der beiden Männer so aussah, als reite er einem finsteren Verlies und einer noch finstereren Zukunft entgegen, dann war es Gervais of Waringham.
    Als sie über die Zugbrücke und durch das höhlenartige Torhaus in den Innenhof des Tower ritten, überfiel Jonah das Gefühl von Enge und Bedrückung, das er hier immer empfand. Er fragte sich, ob dieses unbestimmte Entsetzen, mit welchem der Tower ihn seit jeher erfüllt hatte, in Wahrheit eine Vorahnung auf diesen Tag gewesen war.
    Sie saßen ab, übergaben die Pferde einer Wache, und Gervais schickte nach dem Constable. Während sie auf ihn warteten, unternahm er einen letzten Versuch, zu Jonah durchzudringen: »Gibt es irgendetwas, das ich für dich tun kann?«, fragte er beinah verzweifelt.
    Jonah schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen.
    »Soll ich Giselle und die Kinder aufs Land bringen? Wär vielleicht besser, oder?«
    »Nein, danke.« Giselle würde die Kinder rechtzeitig vor seiner Hinrichtung aus der Stadt bringen, da war er sicher, doch er wollte, dass sie den Zeitpunkt selbst wählte. Und er wollte vor allem, dass Gervais of Waringham seine Familie zufrieden ließ.
    Gervais verspürte schuldbewusste Erleichterung, als er den Constable mit zwei Wachen vom White Tower herüberkommen sah. Er wartete, bis sie vor ihnen stehen blieben, nickte dem Constable zu, murmelte: »Leb wohl, Jonah«, und ergriff die Flucht.
    Der Constable hatte einige Erfahrung in Situationen wie dieser, und er wirkte nicht im Geringsten erschüttert angesichts der Tatsache, dass einer der engsten Vertrauten der Königin und größten Bankiers der Krone ihm plötzlich als Gefangener überstellt wurde. »Master Durham«, grüßte er höflich, und Jonah fürchtete einen Moment lang, der Constable wolle etwas wie›Seid herzlich willkommen im Tower of London‹ hinzufügen. Doch stattdessen sagte der Offizier: »Ihr habt keine Dienerschaft mitgebracht?«
    »Nein.«
    Gervais hatte ihm eindringlich geraten, einen oder mehrere vertraute Diener mitzunehmen, die ihm Gesellschaft leisten und für sein persönliches Wohl sorgen konnten, aber Jonah hatte brüsk abgelehnt. Das Letzte auf der Welt, was er derzeit wollte, war Gesellschaft.
    Dem Constable war es gleich. Mit einem unverbindlichen Nicken machte er kehrt. Die Wachen warteten reglos, aber unterschwellig drohend, ob Jonah freiwillig folgen würde, und bildeten die Nachhut, als er es tat.
    Der Constable geleitete ihn zum Salt Tower, der seinen Namen daher hatte, dass im Erdgeschoss die Salzvorräte der Krone

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