Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
erhoben sich und sahen zur Anlegestelle hinunter.
»Was für ein wunderschönes Schiff sie ist«, bemerkte Giselle. »Was bringt sie dieses Mal?«
»Wein, Seide, Diamanten und … Harry Willcox.« Er wies lächelnd mit dem Finger zum Heck, aber Giselle hatte den feuerroten Schopf schon entdeckt.
»Wusstest du, dass er kommen wollte?«, fragte sie erstaunt.
Jonah schüttelte den Kopf und hoffte, dass Harry nicht auch noch schlechte Nachrichten brachte.
Doch sein junger Kompagnon beruhigte ihn sogleich, nachdem er die Treppe heraufgeeilt war, um Jonah und Giselle zu begrüßen. Er verneigte sich vor der Dame des Hauses, drückte Jonah die Hand, als wolle er ihm die Finger brechen, und beantwortete dessen Frage nach dem Verlauf der Reise: »Herrliches Wetter und ein großartiges Schiff. Ich könnte mich an ein Kauffahrerdasein gewöhnen. Unsere Geschäfte in Bordeaux laufen prächtig, Jonah. Ich habe die Abrechnung dabei, du wirst nicht enttäuscht sein. Wir könnten doppelt so viel Tuch verkaufen, wenn wir es hätten.«
Jonah nickte, rief nach einer Magd und orderte Wein, ehe erantwortete: »Ich habe zwei weitere Güter in der Nähe von Sevenelms gekauft. Wir vergrößern die Herden, so schnell es geht, und holen noch mehr Handwerker aus den Niederlanden. Aber es wird seine Zeit brauchen, die Verluste an Schafen und Arbeitskräften wettzumachen.«
Nachdem sie auf Harrys glückliche Heimkehr angestoßen hatten, sagte der junge Willcox ein wenig verlegen: »Ich … hätte meinen Posten nicht so einfach im Stich gelassen, aber mein Vater hat mir einen Brief geschickt.«
Jonah runzelte verblüfft die Stirn. Harry und Francis Willcox hatten nicht einmal Kontakt gepflegt, als sie noch in derselben Stadt lebten.
Harry nickte, als habe Jonah seiner Verwunderung Ausdruck verliehen. »Ihr habt es vermutlich nicht gehört, aber meine Mutter ist an der Pest gestorben«, erklärte er niedergeschlagen. »Ich will ihr Grab besuchen.«
»Das tut mir Leid, Harry«, sagte Jonah. »Und du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Darüber hinaus bin ich froh, dass du hier bist. Cecil ist verschwunden, und ich weiß nicht, wo ich noch suchen soll. Du kennst ihn besser als jeder von uns, vielleicht weißt du Rat.«
»Verschwunden?«, wiederholte Harry verständnislos.
Giselle nickte beklommen. »Schon zwei Wochen.«
»Aber … aber … oh, mein Gott.« Harry sank auf den erstbesten Schemel nieder.
Giselle berichtete ihm das Wenige, was sie wussten, und schloss mit den Worten: »Wir hoffen, dass es nur irgendeine Dummheit ist, die dahinter steckt.«
Harry schüttelte skeptisch den Kopf. »Das sieht ihm nicht ähnlich. Wer soll dieser merkwürdige Bote sein? Cecil kennt so gut wie niemanden in der Stadt. Er geht nie zur Lehrlingsbruderschaft, hat nie Freunde außerhalb dieses Hauses gesucht. Seid ihr sicher, dass es nichts mit seiner Mutter zu tun hat?«
Jonah nickte. »Aber ich war praktisch auf dem Weg, um mit ihr zu sprechen. Vielleicht weiß sie etwas, das er uns nicht gesagt hat.«
»Unwahrscheinlich«, meinte Harry, und Jonah wusste, er hatte Recht. Cecil hatte den Umgang mit seiner Mutter im gleichen Maße gemieden wie Harry den mit seinem Vater. »Aber ich komme mit dir, wenn du erlaubst.«
»Natürlich.«
An der Tür stießen sie beinah mit dem Earl of Waringham zusammen.
»Gervais!«, rief Giselle überrascht aus. Es kam sonst niemals vor, dass Waringham ihre Halle betrat, ohne zuvor einen Diener heraufzuschicken, um ihn anzukündigen, denn er war ein höflicher Mann. »Welch unerwartete Freude.«
Gervais verzog das Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen. »Ich muss dich sprechen, Jonah.« Er sagte nicht ›unter vier Augen‹, aber alle hörten, dass er es meinte.
Jonah nickte. »Harry, sei so gut und warte im Kontor auf mich.«
»Sicher.« Der junge Willcox warf dem Besucher einen argwöhnischen Blick zu und ging dann hinaus.
Giselle blieb an der Seite ihres Mannes. »Was ist denn geschehen?«, fragte sie Waringham.
Der sah unverwandt zu Jonah. »Der König hat mich gebeten, dich zu ihm zu geleiten.«
Giselle stieß ungeduldig die Luft aus. »Gervais, was sollen diese Förmlichkeiten? Wir haben im Augenblick …«
Jonah legte ihr die Hand auf den Arm, ohne Waringham aus den Augen zu lassen. »Nur raus damit. Warum bist du wirklich hier? Alter Freund.«
Der Earl of Waringham ließ die Schultern hängen, schlug die Augen nieder und sah plötzlich aus wie ein Häuflein Elend. »Ich … Er hat mich geschickt,
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