Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
Gras und schlief selig. Waringham trat zu ihm, stemmte die Hände in die Seiten, sah kopfschüttelnd auf ihn hinab und stupste ihn nicht gerade sanft mit der Schuhspitze an.
Der Junge schreckte aus dem Schlaf auf und sprang auf die Füße. »Oh, tut mir Leid, Sir …«
»Kaum kehre ich den Rücken, verfällst du in Müßiggang. Immerzu. Das muss ein Ende haben, Roger, ich mein’s ernst.«
Der gescholtene Knappe senkte den Blick. »Ja, Sir.«
»Ich habe einen Gast mitgebracht, Master Durham aus London. Kümmere dich um ihn. Sorge dafür, dass er alles zu seiner Bequemlichkeit hat, bring ihm etwas Kühles zu trinken, und dann holst du den Medicus her. Master Durham ist auf der Straße überfallen worden und verletzt.«
Der Junge nickte eifrig. Als Waringham verstummte, machte er einen Diener, trat dann zu Jonah und verneigte sich wiederum. »Folgt mir, Sir.«
Waringham verabschiedete sich mit dem Versprechen, später nach Jonah zu sehen, und der Knappe führte den Gast ins Innere des Zeltes. Auf dem federnden Grasboden waren zwei üppige Strohlager hergerichtet worden, die reichlich mit Fellen und Wolldecken ausgestattet waren, zwei bescheidenere Lager – vermutlich die der Knappen – befanden sich an der gegenüberliegenden Wand. Aus einer aufgeklappten Truhe hingen unordentlich ein paar Kleidungsstücke heraus. Über einem Schemel an dem etwas wackeligen Tisch lag ein dunkelroter Mantel, auf dem Tisch standen zwei schwere Becher aus wundervoll ziselierter Bronze, dazwischen zwei Würfel.
Roger rollte den Zelteingang auf und band ihn fest. »Puh. Heiß hier drin. Setzt Euch, Sir. Ich werde Euch sofort ein paar Erfrischungen holen. Ihr seid kreidebleich, Sir. Tut es sehr weh?«
Jonah schüttelte den Kopf. Jetzt, da er nicht mehr im Sattel saß und durchgerüttelt wurde, ging es besser. Er ließ sich vorsichtig auf dem zweiten Schemel nieder und stützte den linken Arm auf die Tischplatte.
Der Knappe verschwand. Jonah war dankbar, dass er ein paar Minuten für sich hatte, um seine Gedanken zu ordnen und diese fremde Umgebung zu betrachten. Durch den Zelteingang sah er die schräge Nachmittagssonne auf den Birken leuchten, dann und wann unterbrach ein Vogel die schläfrige Stille.
Roger kam bald zurück, brachte ihm einen Becher mit kühlem Ale und einen Benediktiner.
»Master Durham, dies ist des Königs Medicus, Bruder Albert.«
Für einen Medicus war der Mönch noch recht jung – der König schien es vorzuziehen, sich mit Männern seiner eigenen Generation zu umgeben. Und bedachte man, wie viel Verrat und Treuebruch und plötzliche Seitenwechsel es unter den Lords und Bischöfen seines Vaters gegeben hatte, war das nur verständlich.
Bruder Albert begrüßte Jonah lächelnd. »Waringham hat mir berichtet, was Euch zugestoßen ist. Lasst mich den Schaden aus der Nähe begutachten. Roger, komm her und hilf mir.«
Jonah wurde höchst unbehaglich, als er erkannte, dass der Mönch ihm Kittel und Wams ausziehen wollte, aber er protestierte nicht. Sehr behutsam und mit geschickten Händen entblößten sie seinen Oberkörper und enthüllten einen großen, schwärzlichen Bluterguss auf der linken Schulter. Bruder Albert zog zischend die Luft ein. »Das sieht aber gar nicht gut aus. Muss ein gewaltiger Keulenschlag gewesen sein.«
Jonah nickte.
Der Mönch betrachtete den Schaden mit leicht verengten Augen. »Jetzt beißt die Zähne zusammen, ich muss die Schulter abtasten.«
Er tat es sanft und routiniert, aber als er mit Zeige- und Mittelfinger auf die Bruchstelle drückte, brach Jonah der Schweiß aus.
Bruder Albert nickte seufzend. »Dacht ich’s mir. Das Schlüsselbein. Aber ich denke, Ihr habt Glück: ein glatter Bruch, der Arm wird gewiss nicht steif. Ich werde es bandagieren, und Ihr müsst den Arm in einer Schlinge tragen, hört Ihr.«
Jonah nickte. »Danke, Bruder. Und dann muss ich mich wirklich wieder auf den Weg machen.«
Der Mönch schüttelte entschieden den Kopf. »Ihr reitet heute nirgendwo mehr hin. Ihr braucht ein paar Stunden Ruhe, und außerdem wünscht der König, dass Ihr heute Abend mit ihm speist.«
Die »kleine« Jagdgesellschaft bestand aus rund zwei Dutzend Rittern und Damen und etwa ebenso vielen Dienern, Falknern und Knappen. Der König und seine Gäste versammelten sich an einer langen Tafel, die bei Einbruch der Dämmerung unter freiem Himmel errichtet wurde, nahe des kleinen Bachs, der am Rande der Lichtung floss. Die Abendsonne glitzerte auf dem leise murmelnden
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