Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
Vor dem König brachten sie ihre Reittiere schlitternd zum Stehen und sprangen aus dem Sattel.
»Mylord, es tut mir Leid …«, begann der Blondschopf.
»Wir haben Euch an dem Bachlauf verloren«, schloss der Dunkle.
Edward warf den Kopf zurück und lachte. Dann sah er zu Jonah. »Darf ich vorstellen? Geoffrey Dermond und Gervais of Waringham, zwei meiner wackersten Ritter. Sie sind meine Leibwächter, wenn es ihnen hin und wieder gelingt, sich nicht von mir abhängen zu lassen. Geoffrey, Gervais, dies ist Jonah Durham, der eben hier auf der Straße überfallen wurde und um ein Haar getötet worden wäre. Einer der Spitzbuben ist geflüchtet. Reitet ihm nach, Geoffrey, und seht zu, ob Ihr ihn einholt. Bringt ihn uns lebend, wenn es geht, ich will wissen, was es mit dieser seltsamen Geschichte auf sich hat. Waringham, Ihr seid so gut und bringt meinen unwilligen Gast ins Lager. Helft ihm aufs Pferd, ich schätze, seine Schulter ist gebrochen.«
Der Tonfall des Königs war unbeschwert, immer noch leicht amüsiert, so schien es, aber niemand kam im Traum darauf, seinen Wünschen nicht zu entsprechen. Der dunkelhaarige Ritter nickte, saß auf, lenkte sein Pferd auf die Straße und galoppierte in nördlicher Richtung davon. Der König hatte sich unterdessen in den Sattel seines prachtvollen Rappen geschwungen und ritt langsam zwischen die Bäume, wo ein kaum erkennbarer, grasbewachsener Pfad begann.
Der Blondschopf ging mit langen Schritten zu Jonahs sanftmütigem Wallach, der sich trotz all der Aufregung nur einen Steinwurf weit ins Gehölz zurückgezogen hatte, und führte ihn zur Straße zurück. Dann hockte er sich auf die Erde, machte einen Buckel und nahm den Steigbügel in beide Hände. »Klettert auf meinen Rücken und sitzt auf, Jonah«, lud er ihn ein.
Jonah starrte ihn entsetzt an. »Aber … das kann ich nicht tun.«
Er wusste, Waringham war eine kleine Baronie in Kent. Dieser junge Ritter, so umgänglich er auch scheinen mochte, musste ein Sohn des alten Earl of Waringham sein, war vielleicht gar dessen Erbe. Und es war einfach undenkbar, dass ein einfacher Kaufmannslehrling wie er einen Mann von so hoher Geburt als … Trittleiter benutzen sollte.
Waringham sah stirnrunzelnd über die Schulter. »Es wird Euch nichts anderes übrig bleiben. Und Ihr würdet uns beiden einen Gefallen tun. Wisst Ihr, der König ist der unglaublichste, wunderbarste Mann, den ich kenne, aber man ist wirklich gut beraten, zu tun, was er will.«
Jonah hatte sich vorgestellt, der König sei vielleicht mit seinen beiden Leibwächtern und zwei, drei weiteren engen Vertrauten und Dienern auf die Jagd geritten, habe ein Zelt für eine Nacht errichten lassen und wolle am folgenden Tag auf eins seiner nahe gelegenen Güter zurückkehren. Was er indessen auf der weiten Lichtung sah, zu der Waringham ihn brachte, war eine kleine Stadt aus mindestens einem Dutzend Zelten. Sie alle bestanden aus bunt gestreiften Stoffbahnen und gruppierten sich um das größte, welches in der Mitte stand und die drei gelben Löwen auf rotem Grund – das königliche Wappen – zeigte. Ein etwas kleineres am Rande hatte zwei offene Seiten und beherbergte die Küche: Mindestens sieben Männer und Frauen machten sich darin an Ofen und Tischen zu schaffen, draußen wurde über einem offenen Feuer ein Reh am Spieß gebraten. Eine Koppel war abgesteckt worden, wo einige wundervolle Pferde standen, in einem hölzernen Pferch in der Nähe waren die Jagdhunde untergebracht, die die Ankömmlinge kläffend begrüßten. Alles wirkte farbenfroh, sauber, lebendig und vor allem prachtvoll. Jonah kam nicht umhin, sich zu fragen, was eine solche königliche Jagd pro Tag kosten mochte.
Waringham, der vor ihm einherritt, wandte sich plötzlich im Sattel zu ihm um. Er schien Jonahs Gedanken zu erraten, denn er bemerkte grinsend: »Er hält nicht gerade viel auf Bescheidenheit.«
Wenn ich König wäre, täte ich das wohl auch nicht, dachte Jonah.
»Ich bringe Euch zu unserem Zelt«, erbot sich der junge Ritter. »Da ist Platz genug.«
Jonah nickte sprachlos. All dies hier war so unwirklich, so ganz und gar nicht seine Welt, dass er jeglichen Widerstand aufgegebenhatte. Beinah willenlos ließ er sich vom Pferd helfen und zum Zelt der jungen Ritter geleiten. Wäre plötzlich ein Einhorn aus dem Birkenhain am Rand der Lichtung gekommen, dann hätte ihn das auch nicht mehr weiter verwundert.
Im Schatten neben dem Zelt lag ein vielleicht vierzehnjähriger Knabe im
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