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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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der vierte Gang endlich vorüber war, zogen der König und die Königin sich zurück. Erleichtert verabschiedete Jonah sich von seinen Tischnachbarn, um sich auf den Heimweg zu machen. Er sorgte sich um Elia und Crispin und wollte sich vergewissern, dass Rachel und Meurig unbeschadet nach Hause gekommenwaren. Unbemerkt gelangte er aus der Halle in den Vorraum, aber noch ehe er ins Freie trat, spürte er ein zaghaftes Zupfen an seinem ramponierten Mantel.
    »Bitte, wartet noch einen Moment, Sir.«
    Er blieb stehen und wandte den Kopf. »Giselle. Wie geht es deiner Schwester?«
    Das Mädchen hob langsam die Schultern. »Sie ist aufgewacht. Aber sie kann die Beine nicht bewegen. Bruder Albert, der Medicus des Königs, hat gesagt, sie wird vielleicht nie wieder laufen können.«
    Jonah sah ratlos auf sie hinab. Er hatte keinerlei Erfahrung im Umgang mit kleinen Mädchen. Er fand es schmerzlich, sie so verbissen um Haltung kämpfen zu sehen. Sie schien ihm viel zu jung für so eine Art von Kummer. Plötzlich erinnerte er sich, dass er sich während seiner einsamen Kindheit manchmal vorgestellt hatte, wie es wohl wäre, eine Schwester zu haben.
    »Die Königin wünscht Euch zu sehen, Master Durham. Könnt Ihr mitkommen?«
    »Sicher.« Er widerstand mit Mühe dem Impuls, ihr über den Kopf zu streichen. Eine befremdliche Anwandlung, fand er. Er kannte dieses Kind ja im Grunde überhaupt nicht.
    Sie führte ihn zu einer Treppe in einem der Türme des Bauwerks.
    »Wusstet Ihr, dass drei der Ecktürme rund sind und einer eckig?«, fragte Giselle über die Schulter, während sie vor ihm die Stufen erklomm.
    »Nein.«
    »Aber es ist so. Diese Normannen müssen schon seltsame Leute gewesen sein.«
    Er lachte leise. »Ja, bestimmt.«
    »Wollt Ihr in den Adelsstand erhoben werden?«, fragte sie unvermittelt.
    »Was?«
    »Ich habe mich gefragt, warum Ihr es getan habt. Euch unter die Tribüne gestellt, als sie zusammenbrach. Ihr hättet erschlagen werden können.«
    »Ich habe nicht darüber nachgedacht«, beschied er abweisend, aber Giselle war nicht leicht einzuschüchtern.
    »Mir kam nur so in den Sinn, Ihr hättet es vielleicht getan, damit der König Euch irgendwann zum Baron oder Earl macht«, erklärte sie. »Aber Ihr habt ihn nicht einmal gebeten, Euch zum Ritter zu schlagen, dabei hätte er’s bestimmt gemacht.«
    »Das glaube ich kaum. Außerdem, wie kommst du darauf, dass ich das will?«
    »Das will doch jeder«, antwortete sie lapidar.
    Jonah musste lächeln. Es klang so erwachsen, wie sie das sagte. »Bist du schon lange bei Hofe?«, erkundigte er sich.
    Sie hob die Schultern. »Seit dem Frühling. Ich bin mit meiner Schwester Elena hergekommen, die eine der Hofdamen der Königin geworden ist. Mein Vater war unglaublich stolz. Er möchte nämlich gern in den Adelsstand erhoben werden. Den Ritterschlag hat er sich schon gekauft, aber das reicht ihm nicht. Er will ein Baron oder Earl werden. Das ist sein größter Wunsch.«
    »Dann solltest du mir nicht davon erzählen. Die größten Wünsche sind meist auch die geheimsten.«
    Sie hatten das Obergeschoss erreicht. Giselle lehnte sich mit dem Rücken an einen der gepolsterten Fenstersitze und verschränkte die Finger ineinander. »Ja. Ich glaube, da habt Ihr Recht.«
    »Hast du kein Heimweh?«, wollte er wissen.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin viel lieber hier als zu Hause.« Sie wies auf eine Tür aus schweren, dunklen Eichenbohlen, die dem schmalen Fenster gegenüberlag. »Gehen wir? Sie wartet.«
    Jonah nickte.
    Giselle klopfte vernehmlich, wartete dann einen Augenblick, öffnete die schwere Tür und winkte Jonah hinein. Er trat über die Schwelle, und das Mädchen folgte ihm.
    Es war ein karger Raum mit nackten Steinwänden und ohne Kamin. Das Stroh am Boden wirkte staubig. Ein dunkler Teppich bedeckte einen Teil der Außenwand und flatterte in derZugluft. Neben der Tür stand ein ausladendes Bett mit kostbaren Brokatbehängen, aber selbst sie konnten den düsteren Gesamteindruck nicht aufhellen.
    Die Königin saß auf einem Schemel an einem nackten Holztisch, auf dem ein Leuchter mit einer einzelnen Kerze stand. Draußen vor dem kleinen Fenster dämmerte es.
    Jonah trat näher und verneigte sich. »Madame.«
    Giselle zog sich auf leisen Sohlen in einen dunklen Winkel der Kammer zurück und packte zusammengefaltete Kleidungsstücke in eine Truhe.
    Philippa hatte sich umgezogen, bemerkte Jonah. Sie trug ein für ihre Verhältnisse geradezu schlichtes blaues Kleid

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