Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
enttäuschen könnte …
    »Aber … ich habe nichts getan, um Euer Vertrauen zu erwerben. Ich bin unerfahren und habe noch nicht viele Kontakte. Ihr solltet vielleicht lieber …«
    Ihr glockenhelles Lachen schnitt ihm das Wort ab. »Ich binbeinah geneigt, Euch zu glauben, wenn Ihr Euer Licht so ungeschickt unter den Scheffel stellt. Aber wie Euch vielleicht aufgefallen ist, neigen der König und ich dazu, unser Vertrauen in Männer und Frauen zu setzen, die nicht älter sind als wir selbst. Darüber hinaus stimmt ja gar nicht, was Ihr sagt. Ich habe Erkundigungen über Euch eingezogen. Eure Konkurrenten, vor allem der Gildebruder, der sich Euer Pate nennt, halten Euch für einen brillanten Geschäftsmann, Jonah. Wusstet Ihr das nicht?«
    »Erkundigungen?«, fragte er verblüfft. »Heute?«
    »Unsinn. Vor ein paar Wochen. Habt Ihr etwa geglaubt, ich hätte Euch vergessen? Unseren Plan mit den flämischen Webern?«
    Er sah zu Boden und nickte.
    »Jonah, Jonah«, sagte sie vorwurfsvoll. »Was denkt Ihr nur von mir?« Glücklicherweise schien sie darauf keine Antwort zu erwarten, sondern fuhr fort: »Ich bin nach wie vor sehr daran interessiert, flämische Tuchmacher herzuholen. In einigen Wochen wird mein Onkel Jean aus Hainault herkommen, und ich habe die Absicht, den Plan mit ihm zu erörtern. Derweil könnt Ihr überlegen, wie und wo wir sie ansiedeln sollen.«
    Jonah hatte einen Einfall. »Die Ersten können gleich zu mir kommen. Ich habe die Absicht, in meinem Hof Werkstätten zu bauen und an Weber und Färber zu vermieten. Warum nicht an flämische? Und vielleicht kann ich auch andere Gildebrüder dafür gewinnen.«
    Sie nickte. »Aber erst konzentriert Euch auf Euren Kontrakt. Im Augenblick ist Schottland das Wichtigste.« Sie erhob sich, um das Ende ihrer Unterredung anzukündigen, und Jonah beeilte sich, ihrem Beispiel zu folgen.
    »Giselle?«, rief die Königin über die Schulter.
    Das Mädchen kam mit einem zusammengefalteten Stück Tuch herbei und knickste artig.
    Jonah hatte Giselle vollkommen vergessen. Er hatte überhaupt kein gutes Gefühl dabei, dass dieses Kind alles mit angehört hatte, was er und die Königin gesagt hatten.
    Doch Philippa zerstreute seine Bedenken. »Seid unbesorgt,Jonah. Giselle ist nicht nur die jüngste, sondern auch die verschwiegenste Dame meines Gefolges. Auf sie ist Verlass. Sie zählt auch zu meinen Freunden, von denen ich vorhin sprach. Nicht wahr, mein Kind?«
    Sie fuhr dem Mädchen über den kastanienbraunen Schopf, und Giselle schmiegte sich ohne alle Scheu an diese liebkosende Hand. Einen Moment erinnerte sie Jonah an seinen Kater Ginger. Er lächelte ihr zu.
    Philippa nahm ihr das Tuch aus den Händen, schüttelte es auseinander und hielt es Jonah hin. Es war ein Mantel aus feinster dunkelgrüner Wolle mit einem edlen Pelzkragen. »Nehmt ihn, Jonah. Den Euren habt Ihr heute ruiniert, als Ihr mich und mein Kind gerettet habt. Nehmt ihn als kleines Zeichen meiner Dankbarkeit.«
    Er nahm ihn zögernd, spürte die weiche, edle Wolle in den Fingern, drückte für einen Augenblick den Pelz an seine Wange und verneigte sich tief. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    Sie lächelte und streckte ihm die Hand entgegen. »Das scheint mir bei Euch nichts Ungewöhnliches zu sein.«
    Er lachte leise, nahm seinen ganzen Mut zusammen und führte ihre Hand kurz an die Lippen. »Danke, Madame.«
    »Auf bald, mein Freund.«
     
    Als Jonah den White Tower endlich verließ und in den Innenhof hinaustrat, war es schon beinah dunkel. Er beschleunigte seine Schritte. Zu Hause hatten sie ihn inzwischen vermutlich schon aufgegeben. Und er wollte so schnell wie möglich von hier fort, zurück in die vertraute Welt da draußen, seine Welt.
    Der Innenhof lag beinah verlassen im Zwielicht. Hier und da standen Wachsoldaten vor den Eingängen der Türme, aber Jonah sah mehr Raben als Menschen. Jetzt, da Ruhe eingekehrt war, hatten die Vögel ihren Tower wieder in Besitz genommen, hüpften über die zertrampelte Wiese oder hockten reglos wie Wasserspeier auf den Zinnen.
    Er durchquerte das höhlenartige Torhaus, ging über die Zugbrücke und ließ schließlich die äußere Ringmauer des Towerhinter sich. Als er endlich wieder auf der Straße stand, atmete er erleichtert tief durch und machte sich eilig auf den Heimweg.
    In den Gassen von East Cheap wurden die Läden geschlossen. Die Schuster und Gürtelmacher, Töpfer und Papierhändler, Hornschnitzer und Zinnwarenverkäufer trugen ihre Auslagen

Weitere Kostenlose Bücher