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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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der einzelnen Kerze auf dem Tisch. Ein beinah glückseliges Lächeln erstrahlte auf Ruperts Gesicht. »Nein, ich glaub dir.«
    »Also sind wir uns einig?«, fragte Jonah.
    »Wir sind uns einig. Nimm den Lümmel mit. Aber komm mir nicht nächste Woche mit Klagen. Schließlich kennst du ihn gut genug.«
    Jonah nickte. Einen Moment zögerten sie beide, dann streckten sie gleichzeitig die Rechte aus und tauschten einen sehr kurzen Händedruck.
    »Also dann«, sagte Rupert jovial. »In sechs Wochen.«
    »In sechs Wochen.«
     
    Crispin stand in der eisigen Dämmerung vor dem Laden und streichelte den geduldigen Wallach, als Jonah aus der Tür trat.
    »Er ist herrlich«, sagte der Junge bewundernd. »Wie heißt er?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Was? Aber jedes Tier sollte einen Namen haben, Jonah.«
    »Vielleicht gibst du ihm einen. Geh, pack dein Zeug. Du kommst mit mir.«
    Crispin ließ die Hände sinken. »Wieso?«
    Jonah sah auf den schlammigen Boden. Ihm war nicht ganzwohl bei dem, was er getan hatte. »Dein Vater hat eingewilligt und die Gilde auch. Mit Rupert habe ich mich geeinigt. Du bist von heute an mein Lehrling. Und jetzt geh und hol deine Sachen.«
    Crispin rührte sich nicht. »Du … du hättest mich fragen können.«
    Jonah sah auf. »Wozu? Hat man dich gefragt, ehe du hier in die Lehre kamst?«
    »Nein.«
    »Na also.«
    »Kann ich mich verabschieden gehen?« Es klang rebellisch.
    Jonah nickte. »Aber beeil dich.«
    Crispin wandte sich wortlos ab und verschwand im Laden. Jonah führte seinen namenlosen Wallach eine Runde über den kleinen Platz, damit die kalten Glieder wieder warm wurden, ehe das Tier die Last seines Reiters tragen musste. Jonah hatte den Verdacht, dass er übervorsichtig war, aber ihm graute davor, dieses kostbarste seiner Besitztümer irgendwie zu beschädigen, und er befolgte gewissenhaft jeden Rat, den Waringham ihm gegeben hatte. Der Tuchhändler Webster und Robertson, der Mietstallinhaber, kamen zusammen aus der Schenke. Sie betrachteten den fein gekleideten jungen Kaufmann mit unverhohlener Neugier und grüßten höflich, aber sie erkannten ihn nicht.
    Als Jonah vor dem Laden seines Vetters wieder anhielt, trat Crispin heraus. Er hielt ein kleines Bündel unter dem Arm und zog die Tür langsam und zögerlich hinter sich zu, ehe er an der nichts sagenden Fassade des schmalen Hauses hinaufsah.
    Dann trat er zu Jonah und hielt ihm den Steigbügel, als sei es das Selbstverständlichste der Welt. Die unterwürfige Geste beschämte Jonah, aber er saß auf, ohne einen Kommentar abzugeben. »Gib mir dein Bündel.« Er streckte die Linke aus.
    Crispin reichte es ihm hinauf. Es war schwer, weil es das kostbare Buch mit den Heiligenviten enthielt, aber viel mehr schien nicht in den schäbigen Sommerumhang gewickelt zu sein. Ein zweiter Kittel vielleicht, ein Ersatzpaar Beinlinge und der Rosenkranz mit den kleinen blanken Holzperlen, mit dem derJunge früher manchmal abends im Laden gesessen hatte. Das war alles, was Crispin auf dieser Welt besaß.
    Er hielt den Kopf gesenkt, ging aber mit langen, festen Schritten neben dem Wallach einher. »Warum hast du das getan, Jonah?«
    »Ich brauche dringend Hilfe im Geschäft.«
    Crispin sah auf und hob die Hände. »Gab es in ganz London niemanden, der seinen Sohn bei dir in die Lehre geben wollte?«
    Vermutlich wäre es nicht so einfach gewesen, wie der Junge glaubte. Auch wenn sich inzwischen herumgesprochen hatte, dass Jonah ein guter Kaufmann war, betrachteten viele Gildebrüder ihn doch immer noch mit Skepsis, fanden ihn zu jung und unerfahren und rechneten täglich damit, dass er mit seinem blühenden Geschäft – dessen Erfolg ihnen ohnehin verdächtig vorkam – scheitern würde.
    »Ich kann niemanden gebrauchen, der venezianischen Seidenbrokat nicht von einem Putzlumpen unterscheiden kann.«
    Crispin nickte, obwohl er nicht überzeugt war, dass das der wahre Grund war. Er hätte gerne geglaubt, dass Jonah es getan hatte, um ihm einen Gefallen zu tun, ihn von seinem trunk- und nicht selten auch tobsüchtigen Meister zu befreien und aus dessen marodem in ein blühendes Geschäft zu holen, wo es wirklich viel zu lernen gab. Wahrscheinlicher war jedoch, dass Jonah Rupert ein Schnippchen hatte schlagen wollen.
    »Es ist kein sehr erhebendes Gefühl, das Instrument deiner Vergeltung zu sein, weißt du«, bemerkte er beklommen.
    Jonah sah auf ihn hinab. Die schwarzen Augen schienen bedrohlich im Zwielicht zu funkeln. »Ich glaube, du überschätzt

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