Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
lernen, Durham, über Tuchhandel ebenso wie über Frauen und Königinnen.«
Er erntete zustimmendes Gelächter.
Eine scharfe Antwort lag Jonah auf der Zunge, aber er fing Elias warnenden Blick auf und beherrschte sich. Scheinbar ehrerbietig senkte er den Kopf. »Ihr habt gewiss Recht, Sir. Aber es bleibt die Tatsache, dass Ihr den Vorschlag der Königin trotz der unbestreitbaren Vorteile ablehnt, ohne ein einziges stichhaltiges Argument vorzubringen, das dagegen spricht. Nur weil er neu und ungewöhnlich ist. Und noch eins, Master Burnell: Es ist ein Unterschied, ob eine Königin ihre französischen Verwandten herholt und mit englischen Ländereien überhäuft, wie Isabella es getan hat, oder mit Hilfe ihrer Landsleute den englischen Woll- und Tuchhandel fördern will.«
»Hört, hört«, rief Mistress Cross halblaut. Es war nicht wirklich eine Zustimmung, aber der erste Riss in der verhärteten Front. Vermutlich hatte Burnells Überheblichkeit sie aufgebracht. Edith Cross war dafür bekannt, dass sie es übel nahm, wenn ein Mann den Geschäftsverstand der Frauen in Zweifel zog.
Jonah lächelte ihr verstohlen zu, während er wieder Platz nahm. Der junge Martin Aldgate erhob sich an seiner Stelle undverkündete: »Ich finde, Durham hat Recht. Und wenn unser Stadtrat die Ansiedlung der Flamen zu verhindern sucht, wird William de la Pole sie alle im Norden ansiedeln, und wir haben das Nachsehen.«
»Stimmt«, pflichtete Elia vernehmlich bei.
Die Unterstützung der jungen und weiblichen Gildemitglieder allein war nicht genug, um einen Beschluss zu erwirken. Aber die generelle Ablehnung war aufgeweicht, auch einige der einflussreichen Tuchhändler wirkten auf einmal nachdenklich. Die Aldermen unter ihnen würden im Stadtrat vielleicht nicht mehr mit allem Nachdruck gegen den Vorschlag der Königin argumentieren. Das war mehr, als Jonah zu erreichen gehofft hatte.
»Ihr könnt froh sein, dass Master Rupert nicht dort war, Sir«, meinte Crispin beim Abendessen, nachdem er Jonah den Hergang der Debatte entlockt hatte.
»Aber warum sollte Master Hillock gegen eine Idee sein, die letztlich allen Woll- und Tuchhändlern entgegenkommt?«, fragte Meurig und schaufelte sich einen Löffel der faden Brotsuppe in den Mund. Es war Fastenzeit und obendrein Freitag.
Crispin warf einen unsicheren Blick zu Jonah und zog die Schultern hoch. »Er ist grundsätzlich dagegen, wenn Master Jonah dafür ist«, murmelte er.
Meurig grinste. »Ah ja?«
»Warst du bei ihm?«, fragte Jonah seinen Lehrling.
Der nickte und schüttelte dann den Kopf. »Aber er war nicht da. Er hat einen neuen Lehrjungen, wusstet Ihr das?«
Jonah ging nicht darauf ein. Nicht zu Hause und nicht bei der Gilde, fuhr es ihm durch den Kopf. Vermutlich war Rupert wieder auf Abwegen. »Dann gehst du gleich morgen früh noch mal hin.«
Crispin wischte sich nervös die blonden Fransen aus der Stirn. »Gott … muss das sein?«
Jonah sah ihn über den Löffel hinweg finster an.
»Ich … ich hab eine Todesangst vor Master Rupert«, gestand Crispin kläglich.
Jonah schnalzte ungeduldig. »Herrje. Wie alt bist du gleich wieder?« Er nickte Meurig zu. »Dann gehst du eben. Frag, wo mein Tuch bleibt. Sei höflich, aber lass dich nicht mit Ausflüchten abspeisen. Er hätte gestern liefern müssen, und ich bin schließlich auch an meine Frist gebunden.«
Meurig war ebenfalls nicht versessen darauf, den Botengang zu Jonahs berüchtigtem Vetter zu übernehmen. »Aber Ihr habt gesagt, ich soll morgen früh ausliefern. Der Schneider Thomson wartet auf das grüne Kammgarn aus Salisbury.«
Jonah sah zu Rachel. »Er ist ein Feigling, he?«
»Wenn Ihr es sagt, muss es wohl so sein, Sir«, erwiderte sie und füllte seine Schale unaufgefordert zum zweiten Mal. »Aber warum geht Ihr nicht selbst?«
Es war Frühling geworden. Jonah ritt mit offenen Augen durch die engen Straßen von London und erfreute sich an der bunten Vielfalt. Es waren nicht allein die laue Luft und das sprießende Grün an allen Ecken, die diese Jahreszeit so ergötzlich machten. Die Menschen waren anders, unbeschwerter. Sah man im Winter nur verkniffene Gesichter mit rot gefrorenen Nasen, blinzelten sie jetzt lachend in die helle Märzsonne. Und die Straßen schienen voll junger Mädchen zu sein, stellte er verwundert fest. Nicht einmal die Büßerin, die barfuß, nur mit einem langen Hemd bekleidet und mit einer brennenden Kerze in der Hand von Cheapside nach St. Paul unterwegs war – die
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