Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
drückte ihn energisch in die Kissen. Jonah kannte nichts anderes als billige Wirtshaushuren, mutmaßte sie, und hatte noch nie Bekanntschaft mit den Künsten gemacht, die Cupido sie gelehrt hatte. Sie musste daran denken, was Lilian zu ihr gesagt hatte in der Nacht, als der kleine Cecil zur Welt gekommen war. Lilian hatte prophezeit, dass Jonah irgendwann herkommen würde. Und wenn du es richtig anstellst, bleibt er die ganzeNacht bei dir und kommt am nächsten Abend wieder. Es wird so sein, wie du es wolltest …
»Das Gute kommt zu dem, der warten kann«, sagte sie lächelnd.
London, März 1332
G ibt es nun Krieg, ja oder nein?« Mistress Cross, die energische Tuchhändlerin aus East Cheap, schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Es wird Zeit, dass wir darauf eine Antwort bekommen. Denn wenn ja, dann steigen die Preise und die Steuern, und das wüsste ich gern rechtzeitig.«
»Um was zu tun, Edith? Dein Warenlager aufs Land zu schaffen, ehe die königlichen Steuerbeamten an deine Tür klopfen, um deine Ballen zu zählen?«, fragte Christian Webster. Und in das allgemeine Gelächter hinein fuhr er fort: »Ich bin sicher, dass es Krieg gibt. König Edward ist ein kriegerischer junger Mann, und er verabscheut den schändlichen Frieden genauso wie jeder von uns.«
»Aber Schottland ist im Parlament mit keinem Wort erwähnt worden«, sagte Adam Burnell. »Ich muss es wissen, schließlich war ich dabei.«
Elia Stephens stöhnte und flüsterte Jonah ins Ohr: »Wie oft will er uns daran wohl noch erinnern, dieser aufgeblasene Fettsack?«
Jonah verzog den Mundwinkel zu einem trägen Lächeln und betrachtete den selbstgefälligen Warden, der sich so große Mühe gegeben hatte, Jonahs Aufnahme in die Gilde zu vereiteln. Burnell war unbändig stolz gewesen, dass er zum Frühjahrsparlament geladen worden war, als einer von vier Vertretern der Stadt in den Reihen der Commons. Aber bei der Wahl der Gildewächter und des -meisters, die nächsten Monat anstand, würde er wohl nicht noch einmal mit einem Amt betraut werden, denn mit seiner Prahlerei bei dieser und anderen Gelegenheiten hatteer sich viele Sympathien verscherzt. Mangelnde Bescheidenheit galt unter Kaufleuten als ausgesprochen schlechtes Benehmen, geradezu unseriös.
»Lass ihn reden«, antwortete Jonah tonlos. »Ich weiß, was ich weiß.«
»Nur willst du mir nicht verraten, woher«, brummte Elia.
»Das braucht dich nicht zu kümmern.«
»Master Stephens, Master Durham, wollt Ihr uns nicht teilhaben lassen an Euren Gedanken, statt die Beratung mit Eurem Getuschel zu stören?«, fragte der Gildemeister in einem Tonfall, als hätten sie seine Geduld über das erträgliche Maß strapaziert.
Keiner der Gescholtenen antwortete.
»Master Stephens?«, beharrte Arthur Knolls.
Elia lief rot an und schlug die Augen nieder. »Tut mir Leid, Sir. Es war nichts weiter.«
Der Gildemeister brummte: »Wieso verwundert mich das nicht? Master Durham?«
Jonah brachte es nicht fertig, Elias klugem Beispiel zu folgen und öffentlich Zerknirschung zu zeigen. Er räusperte sich unbehaglich. »Ich sagte lediglich, dass Master Burnell schwerlich wissen kann, was die Lords im Parlament gesagt haben, wenn die Commons nicht dabei waren, Sir.«
»Ihr seid immer noch derselbe Flegel wie eh und je!«, brauste Burnell auf.
»Aber wo er Recht hat, hat er Recht«, fiel Martin Greene ihm betont liebenswürdig ins Wort.
Jonah senkte scheinbar demütig den Kopf, damit nur ja niemand ahnte, was er wirklich dachte. Er war seinem Paten dankbar für dessen unerschütterliche Unterstützung. Vor allem jedoch war er die Bevormundung durch den Gildewächter gründlich satt und brannte darauf, endlich einundzwanzig und damit unabhängig zu werden. Noch ein Jahr bis dahin, dachte er grollend. Ein ganzes Jahr noch musste er sich gängeln lassen, jede wagemutige Geschäftsentscheidung in stundenlangen Debatten rechtfertigen und seine Pläne offen legen. Immer war die Zeit gegen ihn, immer musste er warten, dass er endlich älterwurde, erst in der Lehre und jetzt wieder. Dabei brauchte man sich hier in der Halle nur umzusehen, um zu erkennen, dass Alter nicht vor Torheit schützt – der feiste Adam Burnell war das beste Beispiel dafür. Und derweil bewies König Edward, der nur einen Monat älter war als Jonah, dass ein scharfer Verstand hundertmal mehr wert war als alle Erfahrung des Alters: Er betrieb keinen Tuchhandel, sondern regierte ein Land, und er hatte seine Lords und Barons
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