Der Koenig geht tot
weil er die Lieblingskuh des Besitzers nicht hatte retten können. Ich dachte an Alexa und stoppte meinen frei fliegenden Unsinn.
»Natürlich verstehe ich«, erklärte ich an Schwester Gertrudis gewandt. »Daß die Tötungsart Rückschlüsse auf den Täter zuläßt, ist schließlich eine klassische kriminalwissenschaftliche Theorie.«
»Eben! In diesem Heft werden Fälle angeführt, an denen sich genau aufzeigen läßt, wie dieses Muster funktioniert. Erschießen, zum Beispiel, ist eine kurze, relativ schmerzfreie, sichere Tötungsart, die eingesetzt wird, wenn man dem Opfer ein schnelles Ende bereiten will. Man könnte geradezu von einer phantasielosen Methode sprechen.«
Ich schaute Schwester Gertrudis mit einem Gesichtsausdruck an, der zwischen Entsetzen und Fassungslosigkeit schwankte. Die Sekretariatsnonne ließ sich nicht beirren.
»Viel interessanter sind dagegen ertränken, vergiften, zerstückeln, erdrosseln oder–«
»Halt!« rief ich, obwohl ich wußte, daß es zwecklos war.
»Hier haben wir zum Beispiel den Fall eines Haustyrannen, der von seiner Frau mit dem Staubsaugerschlauch erwürgt wurde, weil er sich permanent über irgendwelche Fuseln auf dem Teppich beschwert hatte. Interessant ist auch das jähe Ende eines Popstars, der mit einem Mikrofon erschlagen wurde.«
»Mir ist das Prinzip jetzt völlig klar«, beeilte ich mich zu erklären. »Mir wäre es daher lieber, wenn wir auf den Fall Stichlingsen zurückkämen.«
»Ja genau, der Fall Stichlingsen!« Schwester Gertrudis besann sich auf ihr eigentliches Anliegen. »Der Fall Stichlingsen ist natürlich nicht ganz so einfach. Hier haben wir es mit einer komplexeren Verbindung zwischen Tötungsart und Motiv zu tun. Nehmen wir einmal an, zwischen Täter und Opfer kam es am Tatort zu einem Streit. Man beschimpfte sich, wurde aggressiver, bis der Täter schließlich dem Opfer einen gewaltigen Stoß gab, so daß dieser, vermutlich auch wegen seines Alkoholkonsums, stürzte und mit dem Hinterkopf auf einen Stein knallte. Genauso stelle ich mir den Tathergang nämlich vor.«
»Von mir aus«, warf ich ein. »Es könnte so gewesen sein. Aber was hat das jetzt mit Ihrer Theorie von der Tötungsart zu tun?«
»Nun, ganz einfach. Wenn die Tat tatsächlich auf diese Weise begangen wurde, dann können wir davon ausgehen, daß es kein geplanter Mord war, sondern ein eher zufälliger Mord. Totschlag, um genau zu sein. Vermutlich war es ein guter Bekannter des Opfers. Da bin ich mir ziemlich sicher.«
»Also doch kein Steinbrucharbeiter«, seufzte ich.
»Nun, wo der Täter arbeitet, kann ich nicht auch noch herausfinden«, meinte Schwester Gertrudis spitz. »Aber vielleicht könnten Sie sich ja mal um diesen Aspekt kümmern. Sie haben schließlich bald Sommerferien.« Einen Moment lang sah Schwester Gertrudis so aus, als wolle sie sich ihrer Arbeit zuwenden. Dann wandte sie sich aber doch noch mal an mich.
»Oder wollen Sie in den Sommerferien heiraten?«
»Heiraten? Wie kommen Sie denn darauf?« Meine Stimme muß geradezu schrill geklungen haben.
»Nun, Sie waren doch mit einer jungen Dame im Hofstaat, oder nicht?«
Oh Gott, Doris Ratzbach und ich. Jetzt gab es nur noch eins. Allen Gerüchten den Riegel vorschieben!
»Daß ich mit Doris Ratzbach im Hofstaat marschieren durfte, ist dem Wegbleiben ihres eigentlichen Partners zu verdanken«, quälte ich mich durch den Schlamassel. »In Wirklichkeit bin ich ganz anders- wie soll ich sagen?«
»Ach, jemand ganz anders?« Schwester Gertrudis schlüpfte beinahe in mein Ohr. »Heraus damit!«
»Sie werden sie nicht kennen«, erklärte ich.
»Es ist doch nicht etwa diese nette Tierärztin, die Sie mal einen Mittag abgeholt hat?«
Ich schluckte. Es war sinnlos, Schwester Gertrudis etwas zu verheimlichen.
»Ach, Sie kennen sie doch?« murmelte ich.
»Frau Silotzki kannte sie«, erklärte Schwester Gertrudis ganz ohne Hemmungen. Frau Silotzki war die Putzfrau, die für das Erdgeschoß zuständig war. »Frau Silotzkis Hund war einmal bei ihr in Behandlung. Wie war noch ihr Name? Alexa Schnittler, nicht wahr?«
»Genau!« Bislang hatte Schwester Gertrudis mich immer mit verschiedenen Kolleginnen verkuppeln wollen.
Ich war mir nicht sicher, ob es sich als Vorteil darstellte, daß sie jetzt von Alexa wußte.
»Und? Ist es etwas Ernstes?«
»Natürlich! Was denken Sie von mir? Trauen Sie mir–« Gertrudis unterbrach mich gnadenlos.
»Und warum heiraten Sie dann nicht? Die Sommerferien sind doch am
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