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Der Koenig geht tot

Der Koenig geht tot

Titel: Der Koenig geht tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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entscheiden«, fügte Leo hinzu.
    »Genau! In diesem Falle passierte die Vergabe der Aufträge, als Jupp Baumüller wegen seiner Bandscheibenoperation in der Klinik war. Reckert hatte also weitgehend freie Hand.« Sondermann hatte seine Kalbsmedaillons vertilgt und schob seinen Teller beiseite. Er lehnte sich zurück und streichelte zufrieden seinen Bauch. Einen Moment lang dachte ich, daß jetzt eine Zigarre gut passen würde.
    »Neben der Auftragsvergabe ist natürlich auch die Kassenführung ein interessantes Geschäft«, meinte Sondermann.
    Ich selbst konnte mir keinen langweiligeren Posten vorstellen, aber da soll es ja geschmacklich große Unterschiede geben. Ich legte mich schließlich auch nicht auf eine Sonnenbank, um meine Haut durchbrutzeln zu lassen noch würde ich mich zum Bungeespringen hinreißen lassen. Folglich mußte ich mich auch nicht für die Geldverwaltung eines Vereins begeistern können.
    »Sie glauben ja gar nicht, welche Summen eine Schützenbruderschaft oftmals zu verbuchen hat«, erläuterte HeSieda. »Allein der Bierverkauf an drei Schützenfesttagen bringt in Stichlingsen einen Umsatz von fast hunderttausend Mark.«
    Ich begann zu rechnen, wie viele Gläser, Liter, Hektoliter Bier verkauft werden mußten, um auf diese Summe zu kommen. Als irgendwo in meinem Gehirn ein Komma steckenblieb, ließ ich es sein.
    »Wenn ein einzelner diese Summen unter sich hat, vor allem wenn er den Umgang mit solchen Geldbeträgen nicht gewohnt ist, kann das leicht zu Problemen führen.« Sondermann drückte sich nun mehr als ungenau aus.
    »Haben Sie bezüglich des derzeitigen Kassenführers einen konkreten Verdacht?« Leo bohrte nach.
    »Um Gottes willen!« Sondermann hob abwehrend die Hände. »Ich habe nichts dergleichen andeuten wollen, obwohl da Gerüchte im Vorstand herumgeistern. Sagen wir mal so: Es würde mich einfach interessieren, ganz unverbindlich einen Blick in die Bücher zu werfen.«
    Roswitha Breding, die während des gesamten Essens keinen Ton gesagt hatte, nutzte jetzt die Gelegenheit, um das Thema zu wechseln. Ich selbst schmorte ein wenig in Schützenfestgedanken. Konnten all die Informationen und Gerüchte, die Sondermann hier vom Stapel gelassen hatte, mit dem Mord an Wilfried König zu tun haben? War es nicht absurd zu denken, daß die Vergabe von Kloinstallationen zum Mord führen konnte? Und wenn ja, auf welchen Umwegen? Hatte König Wind von diesen Geschichten bekommen? Hatte er jemanden absägen wollen oder eine Erpressung versucht? Ich mußte an Schwester Gertrudis und ihre Theorie denken. Wie brachte man jemanden um, den man für seine Sanitär-Transaktionen bestrafen wollte? Ganz klar, entweder erdrosselte man ihn mit einem Duschschlauch oder man ertränkte ihn in der Kloschüssel. Ich würde Schwester Gertrudis diese Thesen vorstellen müssen. Schließlich war sie die Expertin, nicht ich.

12
    Am Abend saß ich mit Alexa im Weinkeller. Das Gewölbe unter dem Stadtmuseum war zu unserem Lieblingstreffpunkt geworden. Nicht zuletzt deshalb, weil man hier kaum Gefahr lief, irgendwelchen Schülern zu begegnen. Nicht, daß ich sie nicht mochte – im Gegenteil. Aber dennoch störte es mich, wenn ich schon mal ausging, gleich wieder mit Schule und allem, was dazugehört, konfrontiert zu werden. Alexa saß mir gegenüber und löffelte vorsichtig eine heiße Fischsuppe. Sie sah phantastisch aus. Sie trug ihre kastanienbraunen Haare mit dem sanften Rotstich wie meistens in einer verwuselten Zopffrisur. Ihre grünen, lachenden Augen und ihr dunkler Teint waren unverwechselbar.
    »Hast du noch Hunger?« fragte Alexa. Sie hatte gemerkt, daß ich sie beobachtet hatte, und fürchtete nun um ihre Restsuppe. Vielleicht war das Alexas prägnanteste Eigenschaft: Sie hatte eigentlich immer Hunger, aß wie ein Scheunendrescher, wurde aber niemals dick davon, ein Umstand, den ich aus meiner Warte als schlichtweg ungerecht bezeichnen konnte. Ich schüttelte den Kopf und wechselte das Thema.
    »Ich muß sagen, die Sache in Stichlingsen geistert mir immer noch häufig im Kopf herum. Die Fädchen am Reißverschluß, das Gespräch auf der Toilette, die Andeutungen meines Kollegen Sondermann und das, was du über Königs Frau gehört hast, – all das macht einen banalen Unfall wirklich denkbar unwahrscheinlich.«
    »Da hast du recht!« Alexa ließ ihre Suppe einen Moment lang ruhen. »Es schwirren so viele ungeklärte. Verdächtigungen durcheinander, daß es einem ganz mulmig in der Magengegend

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