Der Koenig geht tot
Kuhställen oder in klinisch sauber gekachelten Schweineställen, in denen auch die Schweine aussahen, als hätten sie niemals die Suhle des Lebens kennengelernt. In der Regel durften sie ja auch nur ein einziges Mal einen Blick drauf werfen, auf die Welt da draußen, und zwar auf dem Weg zum Viehtransporter.
Alexa drehte das Radio an. »I got my mind sad on you«, schallte es aus den miserablen Lautsprechern, und Alexa sang lauthals mit. Zugegebenermaßen war sie heute besonders erpicht auf die Hausbesuche gewesen, und das hatte einen einfachen Grund. Es war ein Termin in Stichlingsen dabei, in einem Pferdestall im Hohlen Weg. Eigentlich konnte Alexa sich von diesem Besuch nichts anderes erhoffen als ein bißchen Klatsch und Tratsch, aber wer wußte das schon?
Alexa hatte jetzt Stichlingsen erreicht und bog rechts in den Hohlen Weg ein. Sie ließ eine kleine Ansiedlung von fünf oder sechs Häusern hinter sich und fuhr dann auf einem Privatweg zum Hof Breischert. Hier standen ein paar Pferde von Privatleuten, unter anderem das von Beate Kleinert, das heute untersucht werden sollte.
Als Alexa auf dem Hof hielt, kam eine Frau aus dem Stall.
»Guten Tag. Frau Kleinert?« fragte Alexa und gab ihr die Hand. Die Frau packte fest zu.
»Ganz genau! Kommt heute nicht Dr. Hasenkötter?«
Alexa ärgerte sich. Sie nahm es immer persönlich, wenn Leute nach ihrem Chef fragten.
»Sieht nicht so aus!’’ sagte sie deshalb frech und schämte sich im selben Augenblick. Natürlich hatte die Frau den Hasenkötter erwartet. Schließlich war er beim ersten Mal hier gewesen, um das Pferd zu behandeln. Als Kunde wünschte man sich natürlich, daß die Behandlung kontinuierlich von einer Person weitergeführt wurde.
,3s war nicht so gemeint«, entschuldigte Beate Kleinert sich. »Ich dachte nur–«
»Um Gottes willen, entschuldigen Sie sich nicht!« Alexa war die Sache peinlich. »Ich kann gut verstehen, daß Sie mit meinem Chef gerechnet haben, aber Dr. Hasenkötter war leider verhindert. Er hat mich aber genauestens über die Krankheitsgeschichte Ihres Pferdes informiert.«
»Das ist gut!« Beate Kleinert lief vor Alexa in den Stall hinein. In der hintersten Box stand der Patient, ein prachtvoller Fuchs, der aufgeregt in der Box tänzelte, als Alexa sich näherte.
»Ein wunderschönes Tier!« schwärmte Alexa.
Beate Kleinert lächelte stolz. »Das ist er«, stimmte sie zu. »Ruhig, Boris, ruhig«, redete sie nun auf den Patienten ein, während sie ihm sanft den Hals strich. Ich mußte grinsen. Der Name war für dieses rotbraune Pferd ein echter Treffer.
»Dann hat Ihnen Dr. Hasenkötter also erzählt, daß Boris sich am Stacheldraht das Bein aufgerissen hat?«
»Hat er!« bestätigte Alexa. »Er hat die Wunde mit acht Stichen genäht, hörte ich. Dann will ich mir die Sache heute einmal anschauen. Am besten halten Sie Ihr Pferd vorne. Ich kann dann in Ruhe den Verband entfernen.«
Die Zusammenarbeit klappte wunderbar. Boris wurde unter Frau Kleinerts Hand schnell ruhig und ließ sich willig behandeln. Die Heilung der Wunde war ganz anständig. Hasenkötter hatte bei der Primärbehandlung eine Drainage gelegt. Diese konnte Alexa nun weglassen, da die Wunde nicht mehr näßte. Sie griff nach der Heilsalbe, die sie sich zurechtgelegt hatte, und strich das durchsichtige Zeug vorsichtig auf. Als sie den Verband anlegte, bot sich die Gelegenheit zu einem Gespräch. »Wohnen Sie selbst auch in Stichlingsen?« fragte Alexa wie beiläufig.
»Ja, gar nicht weit weg!« antwortete Beate, während sie weiter das Pferd streichelte. »Ich wohne am anderen Ende des Dorfes und kann praktisch mit dem Fahrrad zum Stall kommen.«
»Stichlingsen ist ja im Moment täglich in der Presse«, palaverte Alexa und kam sich im selben Moment vor wie ein altes Waschweib.
»Da sagen Sie was!« Beate hielt einen Augenblick in ihrer Tätigkeit inne. »Die Sache mit dem König ist wirklich ganz grauenhaft. Und stellen Sie sich bloß vor: Angeblich ist er gar nicht durch einen Unfall gestorben, sondern umgebracht worden.«
»Was Sie nicht sagen!« Alexa kam sich saublöd vor. »Wie kommt man denn darauf?«
»Nun, schließlich rennt die Polizei durchs ganze Dorf und stellt Fragen. Meinen Sie, das machen die zum Spaß?«
»Ganz bestimmt nicht!«
»Genau! Die Kripo wäre doch längst wieder verschwunden, wenn es sich um einen ganz normalen Unfall gehandelt hätte. Statt dessen macht sie alle Leute verrückt, als liefe hier tatsächlich ein
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