Der Koenig geht tot
stehen mußte. Doch für Sondermann war durch den Mord an Wilfried König St. Sebastianus zum Ausbund von Intrige und Verbrechen geworden.
»Sie übertreiben!« argumentierte ich, um meinem Kollegen weitere Informationen zu entlocken. »Selbst wenn es hier und da zu Reibereien kommt die kommen schließlich überall vor, wo Menschen sich zusammentun. Und vor allem vergessen Sie die vielen ehrenamtlich Arbeitenden, die kein anderes Interesse haben, als etwas für die Gemeinschaft zu tun!«
»Die wird es sogar in Stichlingsen geben«, fügte Leo hinzu.
»Natürlich gibt es diejenigen, die sich für den Schützenverein krumm machen«, stimmte Sondermann zu. »Ich habe selbst lange genug mitgearbeitet, um das zu wissen.« Natürlich sah Sondermann sich selbst auch als einen hemmungslos Ausgebeuteten des Systems. »Ich kenne schließlich Jupp Baumüller, der schon seit Ewigkeiten die Belange der Schützenbruderschaft leitet. Ich kenne auch Gerhard Streiter, für den der Schützenverein mehr bedeutet als alles andere. Ohne diese Leute ginge im Schützenverein, ja im ganzen Dorf, überhaupt nichts. Das sind welche, die motivieren, die vermitteln, die organisieren können. Der Schützenverein ist gleichzeitig ihr Lebenselixier.«
»Nun, Baumüller ist ja nun schon lange aus dem Rennen«, kommentierte ich. »Er war noch nicht mal auf dem Schützenfest.«
»Das dürfte ihm schwergefallen sein«, meinte Sondermann nickend. »Vor allem jetzt, wo im Verein alles drunter und drüber geht, kann er kaum eingreifen. Das ist sicherlich bitter für ihn. Genauso dürfte Gerhard Streiter leiden. Streiter ist, glaube ich, schon seit seiner Jugend im Schützenverein aktiv. Er hat sich langsam hochgearbeitet und es bis zum Oberst gebracht.«
Ich verkniff mir einen kleinen Applaus für den Abwesenden.
»Ist es denn wirklich so etwas Besonderes, einen solchen Posten zu bekommen?«
»Das ist es!« sagte mein Kollege bestimmt. »In der Regel ist im Dorf der Schützenverein der größte Verein, was die Mitgliederzahl angeht. Um genau zu sein, sind in einem Dorf wie Stichlingsen fast alle Bewohner Mitglieder des Schützenvereins. Insofern hat der Verein auch einen großen Einfluß und ein starkes Ansehen im Dorf. Gleichzeitig agieren die Schützenvereine über die Gemeindegrenzen hinweg. Es gibt Kreis- und Bundesschützenfeste, und die besucht man als Offizieller eines Vereins. Diese Repräsentation ist für viele ungemein wichtig. Es verleiht vielen Leuten eine Aufmerksamkeit, die sie anderenorts nicht bekommen.«
»Ich verstehe«, murmelte ich. »Wenn die Schützenbruderschaft, ihr Erhalt und ihr Ansehen, eine solche Rolle für viele Stichlingser spielt, hat der Ansehensverlust, den einzelne Schützenbrüder durch ihr »Fehlverhalten« bewirken können, also eine ungeheure Bedeutung?«
»Erinnern Sie sich an den Kölner Karnevalsprinzen, der in die Presse kam, weil er angeblich homosexuell war? Damals hatte man den Eindruck, die Kölner fürchteten, der Dom würde zusammenfallen, wenn diese Sache nicht rechtzeitig vom Tisch käme.«
Natürlich erinnerte ich mich. Aber konnte man den Kölner Karneval mitsamt seinen einflußreichen Organisationen mit dem Stichlingser Schützenverein vergleichen? Sondermann schien meine Gedanken zu erraten.
»Der Verein ist kleiner, aber für die Betroffenen nicht weniger wichtig«, erklärte er.
»Und so befürchtete man, die Stichlingser Dorfkirche bräche zusammen und begrübe den gesamten Schützenverein unter sich?« fragte ich nachdenklich.
»So ähnlich!« antwortete Sondermann feist grinsend. »Herzlichen Glückwunsch, Herr Jakobs. So langsam beginnen Sie, das Sauerland zu verstehen!«
18
Diesmal fragte Beate Kleinert nicht nach Dr. Hasenkötter. Das Gespräch unter Frauen, das sich letztes Mal im Pferdestall ergeben hatte, schien für die Stichlingser Reiterin eine echte Bindung zu Alexa gebracht zu haben.
»Frau Schnittler«, sagte sie daher auch zuallererst, als Alexa den Stall betrat. »Sie können sich ja gar nicht vorstellen, was seit ihrem letzten Besuch passiert ist.«
Alexa warf einen erschrockenen Blick auf das Pferd. Sie dachte sofort an eine Entzündung. Doch der Fuchs stand seelenruhig in seiner Box, schien nicht zu fiebern und auch der Verband sah völlig unverdächtig aus.
»Ihrem Pferd geht es doch gut?« fragte Alexa trotzdem, während sie ihre Tasche auf den Boden stellte.
»Boris?« Beate Kleinert schien einen Augenblick verdutzt. »Natürlich geht es ihm gut. Davon
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