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Der Koenig geht tot

Der Koenig geht tot

Titel: Der Koenig geht tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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konzentrieren. Die Frage ist nur, warum sich die Verdachtsmomente auf ihn konzentrieren. Bernhard Schnell war Königs Konkurrent. Er hatte kurz vorher mit dem Opfer einen Streit. Findest du nicht, daß diese Verdachtsmomente ziemlich gravierend sind? Aber deiner Meinung nach kann man ihm natürlich nicht böse sein, wenn er versucht, einen unglückseligen Mord lieber unter dem Deckel zu halten, zur Not mit Hilfe eines skrupellosen Überfalls!«
    »So war es ja gar nicht«, grummelte Max. Alexa und ich starrten ihn verwundert an.
    »Er war verzweifelt. Er hat Angst. Er ist alles andere als ein skrupelloser Mörder. Niemals hat er den König blutend im Dreck zurückgelassen.«
    »Woher willst du das wissen?« Alexa startete einen letzten Versuch.
    Max nahm sich einen Moment Zeit für die Antwort. »Ich weiß es einfach«, sagte er dann.
    »Aha!« meinte Alexa ironisch.
    »Aha!« schloß ich mich an.
    »Bernhard Schnell wächst die Sache über den Kopf«, begann Max zu erklären. »Er fühlt sich eingekesselt. Die Polizei sieht in ihm den optimalen Täter und in mir vermutet er den Schnüffler, der ihn in die Enge treiben will. Thomas Ehringhaus hat ihm brühwarm von meinem Interesse an dem Fall erzählt – und natürlich nicht verschwiegen, daß ich danach direkt zu Jupp Baumüller gefahren bin. Er sieht dahinter ein regelrechtes Komplott. Die Schützenbruderschaft will die Sache schnell vom Tisch haben, um zur Tagesordnung übergehen zu können. Und dabei sieht er sich auf der Strecke bleiben. Ihr könnt mir sagen, was ihr wollt, aber ich kann seine Überreaktion verstehen.«
    »Der Mann hat seine Emotionen nicht unter Kontrolle«, schimpfte Alexa. »Der gehört aus dem Verkehr gezogen.«
    Ich wußte intuitiv, daß Alexa das nicht hätte sagen sollen. Es gab Formulierungen, die Max aus der Fassung brachten, die wohl mit seiner Vergangenheit zusammenhängen mußten.
    »Natürlich ist es sehr nützlich, wenn man immer seine Emotionen unter Kontrolle hat«, sagte Max bitter. »Ich selbst bin wahrscheinlich das beste Beispiel dafür.«
    Alexa schwieg. Sie wußte, daß jedes Wort von ihr jetzt falsch sein konnte. Max war durch eine einzige Bemerkung getroffen worden. Aber vielleicht war es ja jetzt die Gelegenheit für ihn, endlich mit der Wahrheit herauszurücken.
    »Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn du deine Emotionen uns gegenüber heraus ließest«, versuchte ich mein Glück. Ich kam mir vor wie ein schlechter Psychologe.
    Max schwieg, aber nur für ein paar Sekunden. Dann kam es. Nach langer Zeit, nach vielen Andeutungen und Empfindlichkeiten begann Max endlich zu sprechen.
    »Sie hieß Natascha«, begann Max leise. »Und sie studierte Theaterwissenschaften in Bochum. Ich war zweiundzwanzig, als es passierte. Ich hatte gerade meine ersten wichtigen Prüfungen hinter mit, mit glänzendem Erfolg natürlich, so wie Vater es sich gewünscht hatte. Einen Tag später stand Natascha plötzlich vor meiner Tür. Sie kam herein, ganz schüchtern war sie, und sagte, sie sei schwanger. Ich fiel aus allen Wolken. Wir waren ja erst ein halbes Jahr zusammen. Ich hatte fest vor, im folgenden Semester ein Stipendium in Cambridge anzunehmen. Und dann stand Natascha da und sagte, sie sei schwanger von mir. Ich wußte gar nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte nicht mal die Kraft, auf sie zuzugehen und sie in den Arm zu nehmen. Natascha stand ein paar Minuten da, und dann ging sie einfach, ohne ein Wort.« Max machte eine Pause, in der er sich stark innerlich zu zügeln schien.
    »Als ich zur Besinnung kam, lief ich hinter ihr her. Ich suchte sie überall. Vergeblich. In ihrem Studentenwohnheim, bei Freundinnen, an der Uni – sie war einfach nicht zu finden. Ständig versuchte ich, bei ihr anzurufen – keine Chance. Zwei Tage danach hatte ich die Nummer ihrer Eltern in Süddeutschland herausgefunden. Ich rief an und-und erfuhr, daß – daß Natascha sich das Leben genommen hatte. Sie war bei ihren Eltern gewesen, aber die hatten zu einer Abtreibung geraten. Immerhin sei sie ja noch jung und habe alles noch vor sich. Sie solle erstmal das Studium abschließen. An ein Kind sei jetzt noch gar nicht zu denken.« Max’ Stimme war jetzt von Tränen erstickt. »Könnt ihr euch das vorstellen? Kein Mensch hat sie unterstützt. Kein Mensch hat gesagt: Wir schaffen das schon. Sie muß sich gefühlt haben, als sei sie ganz allein auf der Welt. Sie hat mir einen Brief geschrieben. Darin schrieb sie, sie würde mit ihrem Kind weggehen, dahin,

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