Der Koenig geht tot
sind ein typischer Dorfverein«, erklärte Jupp. »Es ist doch kein Zufall, daß so viele Gäste auf unser Schützenfest kommen. Unsere überschaubare Bruderschaft schätzt man wegen ihrer Gemütlichkeit. Wir haben dieses Rammtammtamm gar nicht nötig. Aber um Ihre erste Frage zu beantworten: Ich mache mein Amt sehr gerne, solange ich das mit meinem verdammten Rücken überhaupt noch kann.«
Baumüller suchte sich auf dem Sofa eine andere Lage. Ganz offensichtlich hatte er Schmerzen.
»Jupp, warum wir überhaupt hier sind«, fing Max an. Er ahnte, daß Jupp nicht mehr lange konnte. »Der Vincent hat auf dem Stichlingser Schützenfest ein seltsames Erlebnis gehabt, von dem ich dir schon lange berichten wollte.«
In diesem Moment kam Gerda Baumüller herein und servierte Kaffee. Endlich. Max unterbrach so lange seine Ausführungen. Gerda hatte uns gerade allen eingeschenkt, als das Telefon schellte. Baumüller meldete sich und hörte dann eine ganze Weile nur zu. »Hm, ja, ich weiß auch nicht«, war das erste, was er sagte. »Beruhigen Sie sich erstmal!« kam es etwas später. »Ich kann ja hier nicht weg wegen dem verdammten Rücken. Aber ich habe gerade zwei junge Männer hier, denen ich absolut vertraue. Sie sind mit dem Thema bestens vertraut. Jaja, genau. Sie sind in zehn Minuten da, und dann sehen wir weiter.«
Nachdem er auf einen Knopf am Hörer gedrückt hatte, sagte er erstmal gar nichts. Gerda sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Keiner wagte etwas zu fragen.
»Das war Karin Hebel«, sagte Baumüller schließlich in einer sehr abwesenden Art. »Die Frau von Jürgen Hebel, unserem Kassenführer. Ihr Mann ist seit gestern verschwunden.«
22
Nicht, daß Kaffee jetzt das Wichtigste gewesen wäre. Die Dame des Hauses sah schließlich ziemlich erledigt aus. Karin Hebel war eine Frau um die Dreißig, also ein gutes Stück jünger als ihr Mann. Sie hatte lange braune Locken, die Alexa sicherlich eindeutig als Dauerwelle identifiziert hätte. Sie trug eine weiße Baumwollhose, ein rotes, hautenges Oberteil und zierliche Sandalen. Ihre Figur erinnerte an diese superdünnen, fast mageren Models, die in letzter Zeit in die Schlagzeilen gekommen waren. Ihr Gesicht paßte in gewisser Weise dazu: blaß, leicht verweint auf jeden Fall völlig fertig. Karin Hebel tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen aus, ganz vorsichtig, um nur ja nicht irgendwelche Schminke zu verschmieren.
»Er kommt sonst immer gegen fünf von der Arbeit«, begann Karin Hebel leise. »Wenn es später wird, auch erst gegen sechs.« Auf der wuchtigen schwarzen Ledercouch sah Karin Hebel irgendwie verloren aus.
»Wo arbeitet Ihr Mann denn überhaupt?« fragte Max interessiert. Von wegen echter Stichlingser. Offensichtlich wußte er noch nicht einmal von jedem Einwohner die Arbeitsstelle.
»Bei Osterfeld!« Karin Hebel sagte das fast so, als wäre das eine denkbar überflüssige Frage. Vielleicht war es das auch in Anbetracht der Tatsache, daß Osterfeld deeer Fabrikant am Ort war. »Jürgen ist dort Chefbuchhalter«, fuhr Karin Hebel fort.
»Na, dann war er ja quasi zum Kassenführer vorherbestimmt«, entfleuchte es mir in einem ironischen Tonfall. Karin Hebel sah mich ängstlich von der Seite an.
»Jürgen kam gestern nicht von der Arbeit. Als ich um acht Uhr abends vom Joggen zurückkam, war er noch nicht da. Es deutete auch nichts darauf hin, daß er zwischenzeitlich zu Hause gewesen wäre. Natürlich habe ich alle möglichen Leute angerufen. Freunde, Kollegen, seine Eltern. Aber niemand konnte mir sagen, wo Jürgen steckt. Leider habe ich mit meinen Anrufen eine Menge Wind gemacht. Seine Eltern waren in heller Aufregung. Deshalb habe ich ab elf Uhr nochmal angerufen und behauptet, Jürgen sei wieder aufgetaucht. Er habe einen alten Bekannten getroffen und sei spontan mit ihm einen trinken gegangen.«
»Wie kamen Sie denn dazu?« Max und ich waren mehr als verwundert. »Wie wollten Sie das denn wieder ausbügeln, wenn, ja wenn–« Ich wußte nicht, wie ich es formulieren sollte. Es lief ja letztendlich darauf hinaus, daß Jürgen Hebel sich entweder vom Acker gemacht hatte oder daß ihm etwas zugestoßen war.
»Warum haben Sie denn die Polizei noch nicht benachrichtigt?«
Karin Hebel rieb nervös ihre Hände aneinander. »Ich bin immer noch der Meinung, daß es eine ganz natürliche Erklärung für Jürgens Verschwinden gibt, so daß das Einschalten der Polizei wirklich nicht nötig ist. Immerhin hat es ja seit Königs Tod
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