Der Koenig geht tot
gerne hört, wenn man vor wenigen Jahren in den verdienten Ruhestand gegangen ist.
»Jürgen hat sich erboten, sich um alle Reparaturen zu kümmern, doch da war nichts zu machen. Sie wollten einfach das verdammte Auto haben. Uns haben sie dann auf das folgende Jahr vertröstet.« Karin Hebel präsentierte die gesamte Ungerechtigkeit dieses Vorfalls in ihrem Gesichtsausdruck.
»Seitdem stehen wir unter dem ständigen Druck, das Geld herbeizuschaffen. Dabei sind unsere Kreditmöglichkeiten längst erschöpft. Und einen Bekannten wollten wir nicht fragen, um bloß keine finanziellen Engpässe zur Schau zu stellen.«
Max Gesichtsausdruck war völlig ausdruckslos, doch ich war mir sicher, was er über das Ehepaar Hebel dachte.
»Jürgen versuchte immer, mich zu beruhigen. Kein Mensch würde von der Sache etwas merken, hat er mir immer erzählt. Gerade nach dem Schützenfest sei die Kasse immer so prall gefüllt, daß sich kein Mensch für den genauen Kontostand interessiere. Allein der Gewinn sei dann relevant.«
»Aha!« Max und ich sahen ungefähr gleich ungläubig aus. Die Angst vor der Wahrheit setzte ganz offensichtlich ein ganz immenses Maß an Naivität frei. Oder sprach man hier besser von Dreistigkeit?
»Wie sieht es denn auf dem Konto der Schützenbruderschaft für gewöhnlich aus?« erkundigte ich mich. »Schwelgt man derartig im Plus, daß dreißigtausend Mark gar nicht ins Gewicht fallen?«
»Durch den Umbau sind im letzten Jahr etliche Ein- und Ausgänge zu verzeichnen«, erklärte Karin Hebel. »Den Großteil des dafür notwendigen Geldes hat Sebastianus von Sponsoren eingeholt. Außerdem sind dieses Jahr ganz gute Einnahmen durch Hallenvermietungen zustande gekommen. Da noch nicht alle Handwerkerrechnungen beglichen worden sind und noch Geld für die neue Thekenanlage im Herbst zurückgelegt worden war, hatten wir es im Frühjahr mit einem Guthaben von knapp fünfunddreißigtausend Mark zu tun.«
»Wovon Sie dreißigtausend abgeschöpft haben«, ergänzte Max ungefragt.
»Jetzt zum Schützenfest wären ja nochmal Einnahmen von fast zehntausend Mark hinzugekommen, wenn wir wieder einen Umsatz von hunderttausend geschafft hätten«, erläuterte Frau Hebel, als mache das die Sache weniger schlimm. »Damit hätten die nächsten Handwerkerrechnungen ganz problemlos bezahlt werden können.«
»Wenn Ihnen da nicht die unglücklichen Umsatzverluste dazwischengekommen wären«, führte ich aus.
»Bis zum Jahreswechsel, wo die Kassenprüfer ans Werk gegangen wären, hätten wir den Kredit auf jeden Fall zurückgezahlt«, jammerte die Frau des Kassenwarts. »Die letzten Tage waren für uns der wahre Horror. Nicht etwa, daß Königs Tod die Aufmerksamkeit von uns abgelenkt hätte. Nein, die Aufregung war so groß, daß alles und jedes in Frage gestellt wurde. Auf einmal wollte Jupp Baumüller die Bücher einsehen. Den Rest der Geschichte kennen Sie ja.«
Irgendwie hatten wir beide, Max und ich, das Gefühl, daß ein Teil des Unglücks, das über die Hebels hereingebrochen war, von der Gastgeberin auf unsere Schultern gepackt werden sollte. Max ging darauf aber gar nicht ein.
»Wissen Sie eigentlich, woher König über Ihre Transaktion Bescheid wußte?«
»Ein unglücklicher Ausrutscher!« jammerte Frau Hebel jetzt. »Jürgen fuhr gelegentlich mit Wilfried König zur Arbeit. König arbeitete bei Osterfeld in der Produktion. Auf einer Autofahrt muß König mal gefragt haben, ob er Einblick in die Bücher nehmen könne angeblich, weil er über die Auftragsvergabe Näheres wissen wollte. Allerdings hat Jürgen dann ein wenig rumgestottert. König hat das Ausweichmanöver bemerkt und Leuten aus dem Vorstand geraten, doch mal die Kasse überprüfen zu lassen. Verständlicherweise war danach das Verhältnis zwischen Jürgen und dem König nicht mehr das beste.«
»Wann genau ist die ganze Sache denn passiert?« fragte ich stirnrunzelnd.
Karin Hebel blickte auf ein Bild mit zwei Katzen, das an der Wand hing. »Das wird vor knapp drei Wochen gewesen sein«, antwortete sie dann. »Ja, so ungefähr müßte das hinkommen.«
»Ihnen ist schon klar, daß Ihr Mann damit ein Motiv hatte, Wilfried König umzubringen?« Max blickte sein Gegenüber durchdringend an.
»Das ist es ja gerade«, seufzte Karin. »Jürgen und mir war auch klar, daß die Polizei diesen Verdacht hegen würde. Aber glauben Sie mir: Weder Jürgen noch ich haben irgend etwas mit der Sache zu tun. Wir haben König zum letzten Mal am Sonntag
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