Der Koenig geht tot
in der Schützenhalle gesehen, als er auf Bernhard Schnell traf und ihn anpöbelte. Mein Mann ist noch dazwischengegangen und hat König beruhigt, obwohl er ja nun wirklich keinen Vertrag mehr mit ihm hatte.«
Karin Hebel sah in unseren Gesichtern wahrscheinlich nicht die Zustimmung, die sie sich erhofft hatte. »Was hätte der Jürgen denn davon gehabt, wenn er den König umgebracht hätte?« versuchte sie es nun auf eine andere Tour. »König hatte Baumüller ja längst informiert. Die Geschichte war daher eh im Umlauf.«
Dieses Argument war mir natürlich auch schon bewußt geworden. Trotzdem hatte ich ein unwohles Gefühl.
»Was den Verbleib Ihres Mannes angeht, sind wir deshalb immer noch nicht weiter«, führte Max an. »Oder glauben Sie, daß er sich aus Angst vor Konsequenzen abgesetzt hat?«
»Ich habe keine Ahnung, welche Folgen es hätte, wenn die ganze Sache an die breite Öffentlichkeit käme«, antwortete Karin Hebel mit tränenerstickter Stimme. »Kommt man wegen eines solchen Betrags schon ins Gefängnis?« Max und ich waren schließlich keine Rechtsanwälte, aber eigentlich war ich mir sicher, daß man in solchen Fällen eine außergerichtliche Lösung suchte. Allerdings, und das war auch Frau Hebel anzumerken, wog viel schwerer, was innerhalb der Dorfgemeinschaft passieren würde. Hebels, die sich auf Kosten der Schützenfest feiernden Allgemeinheit bereichert hatten, um ihr sündhaft teures Eigenheim fertigzustellen, würden höchstwahrscheinlich für immer und ewig verschrien sein. Nicht daran zu denken, daß sie weiterhin in gemütlicher Runde ihr Bier trinken oder einen harmlosen Besuch beim Bäcker machen konnten, ohne von bösen Blicken verfolgt zu werden. Über die Verachtung der Bevölkerung würde auch der hartgesottenste Abzocker sich nicht hinwegsetzen können.
»Es ist mir völlig schleierhaft, was mit Jürgen sein könnte«, schluchzte Karin Hebel jetzt lauter. »Natürlich vermute ich, daß er aus Angst eine Weile untergetaucht ist. Aber er muß doch wissen, daß das keine Lösung ist. Außerdem hätte er doch wenigstens mich benachrichtigt, oder?«
Max versuchte, möglichst sachlich zu bleiben. »Sind die Unterlagen über die Kassenführung von St. Sebastianus noch da?« fragte er mit ernstem Gesichtsausdruck.
»Das habe ich gestern sofort nachgeguckt«, sagte unsere Gastgeberin, während sie sich die Tränen aus dem Gesicht wischte, diesmal weniger sorgfältig und ohne auf ihre Schminke zu achten. »Die drei Ordner stehen nach wie vor im Regal. Es scheint auch nichts daraus entnommen zu sein.«
»Ist es dann nicht höchst unwahrscheinlich, daß Ihr Mann wegen dieser Sache verschwunden ist?«
Frau Hebel schluchzte wieder los. Wahrscheinlich war die Möglichkeit, daß Jürgen Hebel nicht nur das überschuldete Haus, sondern auch seine Ehefrau verlassen wollte, das schlimmere Übel.
»Am besten geben Sie uns erst einmal die Unterlagen mit. Die werden wir Jupp Baumüller natürlich aushändigen müssen. Ansonsten würde ich Ihnen raten, Ihren Mann bei der Polizei vermißt zu melden. Es sei denn, Sie wären bereit, zunächst eine private Suchaktion zu organisieren. Aber um ehrlich zu sein, halte ich die Erfolgsaussichten für minimal. Ihr Mann ist ja mit dem Auto verschwunden. Die Suchaktion muß daher sehr umfassend sein eine Sache, die keine Nachbarschaft der Welt leisten kann.«
Karin Hebel nickte weinend in sich hinein. Max nahm alles weitere in die Hand. Er rief direkt auf der Handynummer von Christoph Steinschulte an und verständigte ihn. Steinschulte hatte zwar gerade Dienstschluß, aber Max konnte ihn davon überzeugen, daß er sich selbst um die Sache kümmern sollte. Dann drängte er Karin Hebel, eine Freundin kommen zu lassen, die sich ein wenig um sie kümmern konnte. Nach kurzer Zeit bekam er die Telefonnummer ihrer Schwester, die auch bereit war, sofort nach Stichlingsen zu kommen. Als sie eintraf, und zwar noch vor der Polizei, fühlten wir uns schließlich überflüssig und verließen das Haus. Als sich die Haustür hinter uns schloß, fiel unser Blick fast gleichzeitig auf ein Wasserspiel, das neben dem Haus einen Grünstreifen auflockern sollte. Es war ein steinerner Fisch, der aus dem Mund heraus einen Wasserstrahl in einen Miniaturteich spuckte. Das Tier hatte ein selten dämliches Grinsen auf dem Gesicht, von dem man nicht wußte, ob es gewollt war oder nicht.
»Was schätzt du?« fragte Max, ohne seinen Blick abzuwenden. »Mindestens dreitausend«,
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