Der Koenig geht tot
tragbares Telefon hinein. Als er uns sah, beendete er sein Gespräch mit den Worten: »So machen wir’s dann. Alles klar!«
»Es geht um das Brechlingser Schützenfest« wandte er sich lächelnd uns zu, soweit sein Rücken das zuließ. Er schien mein Auftauchen nicht überraschend zu finden. Offensichtlich hatte Max ihn schon am Telefon vorbereitet. »Wir mußten noch absprechen, welche Abordnung wir aus St. Sebastianus morgen zum Festzug schicken.«
Ich lächelte so, als würde ich mich ständig mit ähnlichen Fragen beschäftigen.
»Machen Sie Ihr Amt eigentlich gerne?« fragte ich unvermittelt.
Jupp Baumüller schaute mich irritiert an. »Wie kommen Sie denn jetzt darauf?«
»Ich finde es beachtlich, daß so viele Menschen sich im Schützenverein pardon, in der Schützenbruderschaft ehrenamtlich engagieren. Ich frage mich, woran das liegt.«
»Warum engagieren sich Leute im Sportverein?« antwortete Baumüller mit einer Gegenfrage. Er wog wohl ab, ob ich so etwas Ähnliches wie ein Verhör mit ihm durchziehen wollte. Tatsächlich interessierte ich mich für das Selbstverständnis der Schützen. Vielleicht kam man so der Frage auf den Grund, ob jemand König ermordet hatte, um das Ansehen des Vereins zu wahren. Ich versuchte, meiner Stimme einen ganz lockeren Tonfall zu geben.
»Vielleicht sollte ich anders fragen«, holte ich aus. »Was ist das Besondere am Schützenverein? Was zieht auch junge Leute an? Was ist der Inhalt, der bei Sport- oder Musikvereinen ja viel eindeutiger ist?«
Jupp Baumüller schaute mich einen Augenblick durchdringend an. Entweder suchte er nach den richtigen Worten oder er fragte sich, wie man die Antwort darauf nicht wissen konnte.
»Schützenbruderschaften unterliegen dem Brauchtum«, erklärte er dann mit seiner sonoren Stimme. Man konnte fast sagen, er geriet ins Schwärmen. »All diese Rituale, die beim Schützenfest durchgeführt werden, sei es das Vogelschießen oder das Marschieren des Hofstaates, unterliegen jahrhundertealten Traditionen. Das allein macht sie zu einem wertvollen Gut.«
»Aber das allein beantwortet meine Frage nicht«, bemerkte ich. »Ich glaube nicht, daß jungen Leuten diese Traditionen so überaus bewußt sind. Wir leben schließlich in einer Spaß-Gesellschaft. Warum beteiligen sie sich trotzdem?«
»Hat diese militärische Ausrichtung da vielleicht Auswirkungen?« steuerte Max mit einem fragenden Blick bei. »Uniformen, Orden, Kompanien und das ganze Brimborium?«
»Ich will gar nicht abstreiten, daß das eine Rolle spielt. Ich glaube, für uns alle, die wir als Schützen von St. Sebastianus mitmarschieren, bedeutet es: Wir stehen zu unserer Gemeinschaft. Natürlich hat diese Ordnung, die im Schützenverein zur Schau getragen wird, durchaus etwas Anziehendes. Ich erlebe diese militärischen Züge aber als etwas durchweg Harmloses. Es geht darum, unserer Gemeinschaft eine Struktur zu geben, eine äußere Form, die unseren Zusammenhalt illustriert, ähnlich wie es auch in Karnevalsvereinen stattfindet.«
Ich bemerkte, daß Jupp Baumüller die Gabe hatte, für alles schöne Worte zu finden. Ich verstand jetzt mehr und mehr, worin seine Führungsqualitäten im Verein bestanden.
»Die Gemeinschaft, die Zusammengehörigkeit im Dorf und als Höhepunkt das gesellige Schützenfest sind meiner Meinung nach die Inhalte unserer Schützenbruderschaft, die wir durch Brüderlichkeit und Disziplin zu erhalten hoffen.«
Jupps Rede hörte sich tatsächlich gut an. Aber all diese Beschreibungen waren angesichts der Geschehnisse in St. Sebastianus mehr als fragwürdig. Wo waren Gemeinschaft und Brüderlichkeit, wenn der Kassenwart die Gelder nicht korrekt verwaltete, der Zweite Vorsitzende Aufträge unrechtmäßig vergab und ganz nebenbei auch noch ein Schützenbruder um die Ecke gebracht wurde?
»Wie beurteilen Sie eigentlich die Entwicklung verschiedener Vereine, das Schützenfest mehr zu einem Volksfest werden zu lassen?« hakte ich nach.
Baumüller winkte ab. »Das ist der Untergang. In den Städten geht man hier und da dazu über, am Samstagabend eine Disco einzurichten oder das Ganze wie eine Kirmes aufzuziehen. Ich kann nur sagen: Das ist das Ende des Schützenwesens, der Ausverkauf unserer Tradition. Wenn man diesen Trends folgt, dann landet man bald auf einer gesichtslosen Jahrmarktveranstaltung. Dann muß man sich wirklich fragen, warum Leute sich da noch engagieren!«
»In Ihrem Dorf wäre das also nicht möglich?« erkundigte ich mich.
»Wir
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