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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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weiteres zu öffnen war, man brauchte nur die Klinke niederzudrücken, fühlte ich mich ein wenig wie eine geschleifte Festung und nicht eben stolz darob. Zudem warf mein Gewissen mir bitter vor, mit welcher Ungeduld ich meine Niederlage erwartete, denn eigentlich hatte ich mir doch den armen Schomberg und auch den König zum Vorbild genommen und meiner Gattin eherne Treue gelobt, worin ich bis dahin, trotz manchen Versuchungen, ja wirklich Wort gehalten hatte. Meine Gewissensbisse verstärkten sich derart, daß ich ins Schwanken kam, ob ich nicht doch besser aufstehen und die Truhe vor die Tür schieben sollte. Ich tat es nicht, Leser. Ein Beweis, daß die Seele befehlen mag, der Körper gehorcht aber nicht immer.
    Das Warten wurde mir so lang, daß ich mich schon fragte, ob das Fehlen des Riegels nicht den einfachen Grund habe, daß er entzweigegangen war. Doch außer daß dieser Gedanke mich sehr entmutigte, verwarf ich ihn rasch, weil der Riegel am ersten Abend ja gut geölt in die Halterung geglitten war. So verscheuchte ich diesen Gedanken denn als einen letzten Versuch meines guten Geistes und blies die Kerze aus. Ach nein, ich blies sie gar nicht aus, ich starrte in die Flamme an meinem Kopfende und lauschte gespannt, ob auf dem Gang zu meinemZimmer nicht gedämpfte Schritte vernehmlich würden. Diese hörte ich wirklich kaum, um so deutlicher aber das Schloß, das plötzlich aufsprang, worauf, nur in einen Schal gehüllt, meine Wirtin erschien. Nachdem sie die Tür hinter sich zugezogen, ließ sie sich nicht etwa an meinem Kopfende nieder, sondern warf sich auf mich wie eine Tigerin auf ihre Beute. Doch nicht etwa, daß sie kratzte und krallte, und als ich den Mund öffnen wollte, verschloß sie ihn mir mit dem ihren, der Fall bedurfte keiner Worte. Der Länge nach an mich geschmiegt, liebkoste sie mich mit ihrem ganzen Körper. Sag ehrlich, Leser: Hätte ich so weicher Haut, so lieblichen Formen, so unverhofften Kühnheiten widerstehen sollen? Beschämt gestehe ich, daß ich Herz und Gewissen vergaß und, statt passiv zu bleiben, aktiv wurde. Danach sank ich in einen Schlaf, aus dem sogar mein Engel mich nicht hätte wecken können. Als ich in der Frühe die Augen öffnete, erwachte zugleich mein Mannesstolz, und ich fühlte mich etwas verletzt, Gegenstand einer, wenn auch leichten, »Vergewaltigung« gewesen zu sein. Und ein bißchen blödsinnig, tadelte ich meine Wirtin für ihre Verwegenheit. Leser, das war nicht klug! Die Dame verschloß mir umgehend den Mund.
    »Monsieur«, sagte sie, und ihr Busen wogte, ihre Augen schleuderten Blitze, »Ihr habt als Edelmann zweifellos große Vorzüge, und nicht minder als Mann, wie ich bemerken konnte. Aber in diesem Fall, Monsieur«, setzte sie, den Ton anhebend, hinzu, »seid Ihr der größte Heuchler der Schöpfung.«
    »Ich, Madame?« rief ich, »ein Heuchler, ich!«
    »Jawohl, Monsieur! Ein Verräter! Mir fehlen die Worte für soviel Scheinheiligkeit. Gestern, Monsieur, als wir zum Nachtmahl bei Tisch saßen, hörtet Ihr nicht auf, mich mit brennenden Augen zu fixieren, bald starrtet Ihr auf meine Lippen, bald auf meine bloßen Schultern, bald auf meinen Busen. Und jetzt habt Ihr die Stirn, zu behaupten, Ihr hättet nichts von mir gewollt, wo Ihr alles wolltet! Und schließlich, Monsieur, hättet Ihr ja nur die Truhe vor Eure Tür zu schieben brauchen. Ihr hättet Euch vor mir verschanzt und in aller Unschuld geschlafen wie ein entmannter Mönch im Kloster.«
    »Um Vergebung, Madame, aber niemand entmannt Mönche. Wo bliebe dann das Verdienst, Versuchungen zu widerstehen?«
    »Ach, was für eine wendige Zunge, Monsieur! Ihr seid wohlsehr stolz darauf, wie Ihr Worte zu drechseln versteht! Trotzdem ist es der Gipfel des Undanks und der Unhöflichkeit, von meiner ›Verwegenheit‹ zu sprechen.«
    »Was hätte ich denn nach Eurer Meinung sagen sollen?«
    »Gar nichts. Stille Dankbarkeit hätte genügt.«
    »Sie ist Euer, Madame«, sagte ich, »aus ganzem Herzen und für alle Zeit.«
    Hiernach zog sie sich zurück, und mich bestürmten Gedanken an meine Catherine, bei denen mir nicht wohler wurde.
***
     
    Nicolas hatte die Pferde schon gesattelt, und ihre stampfenden Hufe hallten auf dem Pflaster der Stadt. Es war noch früher Morgen, denn da Ludwig mit Tagesanbruch aufstand, erwartete er das gleiche von seinen Dienern.
    »Sioac«, sagte er, sowie ich eintrat, »ich möchte einen Brief an unseren treuen Verbündeten Holland schreiben. Könnt Ihr

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