Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Haß entsprang ein Mordplan. Allerdings spielte die Königin, so einig sie sonst mit ihnen war, bei dem von Soissons und Gaston ausgeheckten Plan keine Rolle. Auch sollte der Mord nicht in Paris geschehen, sondern in Amiens und mitten im Krieg. Die Sache schien auf den ersten Blick gut durchdacht, zumal sie eine protokollarische Bestimmung nutzen sollte: Wo der König war, durfte nur seine Leibgarde sein. Anders gesagt, der Kardinal durfte von seiner eigenen Leibgarde dann nicht umgeben und geschützt werden. Nun, in Amiens pflegte der König im Hôtel von Monsieur de Chaulnes, dem Gouverneur der Picardie, Rat zu halten. Nach beendigtem Rat verließ der König das Hôtel mit seiner Garde,während Richelieu, ohne persönlichen Schutz zu haben, noch verweilte und die wartenden Personen begrüßte. Genau in jenem Moment, wenn er isoliert inmitten der Menge stand, sollten drei Gaston zugehörige Edelmänner sich auf ihn stürzen und ihn mit Dolchen durchbohren. Das Signal zu diesem Angriff war denkbar einfach geplant, Gaston sollte den Mördern zuzwinkern.
Dies geschah, vielmehr sollte geschehen, am neunzehnten Oktober 1636, und leicht hätte dieses Datum eine ebenso traurige Berühmtheit erlangt wie das der Ermordung Henri Quatres. Zum Glück passierte nichts. Die Blicke der Mörder waren in Erwartung des vereinbarten Signals auf Gaston gerichtet. Das Signal kam nicht. Im Gegenteil. Gaston machte auf dem Absatz kehrt und lief zurück in den Ratssaal, den er eben erst verlassen hatte.
Man schimpfte ihn einen Feigling. Ich sehe es anders. Gaston hatte während der Belagerung von La Rochelle durchaus Mut bewiesen und auch neuerdings wieder bei der Einnahme von Corbie, das er unter feindlichem Feuer als erster umzingelt hatte. Meines Erachtens lag der Grund seines Rückzugs darin, daß er, bei allem Geist, wenig Urteilskraft besaß. Seine Pläne waren rasch und schlecht entworfen, und bei der geringsten Schwierigkeit ließ er sie fahren.
Für mein Gefühl sprang ihm erst in dem Moment, da er seinen Spadassini durch Augenzwinkern das Zeichen geben sollte, die Ungeheuerlichkeit seiner Tat ins Auge. Denn daran gab es keinen Zweifel. Würde Richelieu unter den Klingen seiner Mordgesellen niederbrechen, würden Zorn und Rache des Königs ohne Erbarmen sein. Die königliche Leibwache war noch so nahe, daß die Mörder umgehend festgenommen, verhört, eingekerkert und hingerichtet werden würden, und er selbst als der Urheber des Verbrechens würde für den Rest seines Lebens unter strenger Bewachung auf einem Schloß eingesperrt sein. Zu alledem würde er – eine furchtbare Strafe – für den Mord an einem Geistlichen vom Papst exkommuniziert werden.
Nach der Aufgabe des Plans folgte der einen Panik eine neue: Obwohl das Vorhaben nicht einmal bis zur Ausführung gediehen war, fürchteten Gaston und Soissons, daß die Polizei des Kardinals hinter ihren Plan kommen werde. Und zurück in Paris,verließen beide in der Nacht vom neunzehnten zum zwanzigsten November die Stadt, ohne den König zu unterrichten. Gaston floh nach Schloß Blois, Graf von Soissons nach Sedan zum Herzog von Bouillon. Der überstürzte nächtliche Aufbruch ohne vorherige Erlaubnis des Königs kam einem Majestätsverbrechen gleich und verhieß Böses für die Zukunft. Ohne den Grund dieser doppelten Flucht zu verstehen, schöpften der König und der Kardinal Verdacht; sie erblickten darin eine neuerliche Revolte Gastons, dem diesmal ein gefährlicher, weil kriegserfahrener Verbündeter zur Seite stand.
***
Mit welcher Freude begrüßte ich, vom Krieg zurück, mein Haus in Paris und darinnen Catherine und meinen Sohn. Noch bei der ersten jubelnden Umarmung flüsterte Catherine mir zu, daß sie erneut schwanger sei und das Kind mit Gottes Hilfe auszutragen hoffe. Seitdem unsere Nachfolge durch einen Sohn gesichert war, wünschte sie sich inständig eine Tochter.
Wie man sich denken kann, kam nach dem Mittagsmahl und der Siesta mit ihren Stürmen auch unser Kopfkissenplausch wieder zu seinem Recht.
»Mein Gott«, sagte Catherine, »wie froh ich bin, daß dieser gräßliche Krieg zu Ende ist!«
»Zu Ende, mein Lieb, ist nur die Invasion. Der Krieg aber hört in Frankreich nicht auf, in den Pyrenäen geht es darum, die Spanier aus Saint-Jean-de-Luz zu verjagen, und im Mittelmeer, die Lerinischen Inseln zurückzugewinnen. Dafür hat Richelieu auf seinen Werften Galeeren bauen lassen, denn Galeeren sind fürs Mittelmeer am besten geeignet. Der Wind dort
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