Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
ohne viel zu überlegen.
Leser, es war dies gewiß eine barmherzige Geste, die mir von Herzen kam. Aber, wie die Folge zeigen wird, war es nicht meine beste Idee.
SECHSTES KAPITEL
Reinlich, flink, freundlich, wirkte Margot Wunder in unserem Haus. Sie gewann unsere Kammerfrauen durch ihre Hilfsbereitschaft; war eine mit ihren Aufgaben überlastet, sprang sie ihr ohne Zögern tatkräftig bei.
Daß sie »wie die Herrschaften« sprach und nicht in einer Mundart kauderwelschte wie die meisten unserer Mägde und Diener, erhöhte deren Achtung vor ihr. Was ihr gleichwohl nicht zu Kopfe stieg. Sie blieb nett und schlicht wie immer. Dem Majordomus, Catherine und mir begegnete sie mit der gehorsamsten Höflichkeit.
Trotzdem ging es auf die Dauer nicht gut, einfach weil sie ein Weib war und Catherine auch. Wenn Margot arglos zu mir sagte: »Ach, gnädiger Herr, wie Ihr Eurem Vater gleicht!«, war ich gerührt, Catherine aber konnte daraus nur folgern, daß Margot ihre ergebene Liebe zu meinem Vater auf mich übertrug. Und wenn sie mir bei Tisch Wein nachschenkte und ihr Busen versehentlich meine Schulter streifte, was ich kaum registrierte, so entging die flüchtige Berührung Catherines scharfem Blick doch nicht. Zwar sagte sie im Augenblick nichts, sammelte aber im stillen dergleichen Anzeichen, die ich nicht einmal bemerkte und, hätte ich sie bemerkt, für nichtssagend befunden hätte.
Der Sturm, der über Tage und Nächte seine Kräfte ballte, brach plötzlich los, und eines Morgens wurde unser heiteres Geplauder zum Prozeß.
»Monsieur«, sagte Catherine unvermittelt, »ich verlange, daß Ihr dieses Frauenzimmer unverzüglich entlaßt.«
»Welches Frauenzimmer?«
»Margot.«
»Margot?« rief ich, aus allen Wolken fallend, »Margot! Aber sie ist unsere beste Dienerin!«
»Allerdings«, sagte Catherine, »das ist auch nicht der Punkt. Diese Person belagert Euch, und das dulde ich nicht.«
»Sie belagert mich!« rief ich erstaunt. »Meine Liebe, wie kommt Ihr darauf? Sie ist gegen mich ebenso liebenswürdig, ja sogar liebevoll, wie gegen Euch, womit sie ihre Dankbarkeit dafür bezeigt, daß wir sie nach meines Vaters Tod bei uns aufgenommen haben.«
»Papperlapapp, Monsieur! Für gewöhnlich habt Ihr Scharfsinn und guten Menschenverstand, nur nicht, wenn es sich um Frauen handelt. Ihr liebt sie dermaßen, daß ihre Machenschaften Euch entgehen.«
Hierauf reihte Catherine mit einer gefährlich sanften Stimme sämtliche Indizien auf, die sie gegen Margot zusammengetragen hatte. Keines, für sich genommen, war überzeugend, die Gesamtheit aber, das ließ sich nicht leugnen, war es.
»Angenommen denn«, sagte ich, »sie fühlte sich geneigt, die Liebe, die sie für meinen seligen Vater hegte, auf mich zu übertragen, der ich ihm so sehr gleiche, denkt Ihr denn, Madame, daß ich dem unter Eurem Dach nachgeben und Euch eine solche Kränkung antun würde? Bin ich ein Tier? Ganz zu schweigen davon, daß ich mich gegenüber meinem Vater wie ein Frevler fühlen würde, wenn ich auch nur eins ihrer blonden Haare berührte!«
»Die ›blonden Haare‹, Monsieur, sind nun der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt! Ihr verratet Euch. Ihr hättet die blonden Haare nicht erwähnt, wenn Ihr sie nicht liebtet.«
»Verflixt, Madame, daß Ihr doch überall Verrat wittert! Das kleinste Wort, das ich sage, ist für Euch ein Geständnis!«
»Papperlapapp, Monsieur! Spielt nicht das Unschuldslamm. Ihr seid ins
gentil sesso
so vernarrt, daß Ihr ein hübsches Weib nur zu sehen braucht, und schon brennt Ihr vor Begier, es zu karessieren. Und weil Ihr bei der ersten Begegnung ihr nicht gleich an die Brüste gehen könnt, helft Ihr Euch mit verbalen Zärtlichkeiten bis zum Geht-nicht-mehr. Um aber wieder auf Margot zu kommen, soll ich etwa hinnehmen, daß die Lunte so nah beim Feuerstein liegt? Nein, nein! So töricht bin ich nicht! Margot ist jung, hübsch und lebensprühend, und reibt sie sich hier jeden Tag, den Gott werden läßt, an Euch, wird dieses Reiben, fürchte ich, eines Tages ein böser Funke. Um der Ruhe meines und Eures Gemütes willen, Monsieur, ersuche ich Euch denn mit aller Dringlichkeit, Margot unverzüglich fortzuschicken.«
»Sie fortschicken!« sagte ich. »Aber sie hat sich nichts zuschulden kommen lassen! Wollen wir eine Schutzbefohlene meines Vaters auf die Straße werfen? Es wäre eine Schande!«
»Von der Straße ist keine Rede. Da ich hörte, daß die Prinzessin von Guéméné eine Zofe sucht,
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