Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Brot?« fragte Giovanni, der soviel Großzügigkeit offenbar übertrieben fand.
»Du hast mich gehört, Giovanni.«
Mißbilligend, wenn auch höflich, entschwand er mit einer eleganten Verneigung. Giovanni war aufs Protokoll versessen und hatte genaue Vorstellungen davon, was sich schickte und was nicht. Zum Beispiel schockierte es ihn, wenn er mich mit meiner Gemahlin zu einer Stunde im Bett antraf, die nicht Lever, nicht Siesta und auch nicht Coucher war. Natürlich sagte er keinen Ton, aber man merkte es daran, wie er die Augen zusammenkniff. Denn Giovanni war ein exzellenter
commediante
, der den
maggiordomo
nicht als seinen Beruf begriff, sondern als eine Rolle.
Ein schöner Mann, in makelloser Livree, die Haare fein gelegt, sorglich die Nägel gefeilt, das Kinn glatt rasiert, hielt er sich kerzengerade und machte sich durch Absatzschuhe größer. Er hatte viel für das
gentil sesso
übrig, weil ich aber ausdrücklich verboten hatte, unsere Kammerfrauen anzurühren, suchte er sein kleines Paradies in der Nachbarschaft, bei einer hübschen jungen Bäckerswitwe. Wenn er sie besuchte, so stets in Begleitung eines unserer Diener, dessen einzige Aufgabe es war, die Brote heimzutragen, die die Meisterin speziell für uns backen ließ, die besten von Paris, wie sie sagte.
***
Fogacer erschien pünktlich zu Mittag, zusammen mit seinem kleinen Geistlichen, der bei Tisch neben ihm sitzen durfte, was Giovanni deutlich als unschicklich mißbilligte, während es Catherine ergötzte, zu sehen, wie der ehrwürdige Doktor und Domherr dem Jüngling mütterlich das Fleisch in kleine Stücke schnitt und den Wein mit Wasser verdünnte.
Der Leser wird sich erinnern, daß Fogacer der Mentor meines Vaters gewesen war, als dieser zu Montpellier Medizin studierte, und daß er im Lauf der Jahre mein unwandelbarer Freund wurde. Gegen Ende seiner Studien hatte er aus Montpellier fliehen müssen, weil er der Männerliebe und des Atheismus’ verdächtigt wurde, zwei gute Gründe, in unseren lieblichen Zeiten bei lebendigem Leibe verbrannt zu werden.
Er floh nach Paris, wurde Priester, entsagte Satan und seinen Werken, was indes nicht soweit ging, daß er sich fürs
gentil sesso
entzündet hätte; zwar liebte er Frauen, aber nur wie Schwestern.
Sein hoher, schlanker Wuchs verlieh ihm eine elegante Erscheinung, gern stand er auf einem Bein wie ein Reiher, die eine Hand auf der Hüfte. Wenn er lächelte, war es ein langsames und gewundenes Lächeln, und seine Brauen strebten dann nach den Schläfen auf, was ihm ein leicht diabolisches Aussehen verlieh, das Zweifel an seiner Bekehrung weckte. Was den kleinen Geistlichen betraf, der ihn überall begleitete und der etwa sechzehn sein mochte, so war er der hübscheste Knabe der Schöpfung, und man durfte über sein Verhältnis zu Fogacer gewisse Mutmaßungen hegen, doch nichts erhärtete diese ernstlich, nicht einmal die mütterliche Fürsorge, die Fogacer ihm angedeihen ließ, denn Fogacers Haltung zum Menschengeschlecht, ob Männlein, ob Weiblein, war stets von großer Güte geprägt.
Sowie der letzte Löffel des Mahls verzehrt war, erhob sich Catherine mit den Worten, sie werde uns nun unseren ernsten Gesprächen überlassen, und schloß nach einem anmutigen Gruß hinter sich die Tür.
»Mein bester Herzog«, sagte Fogacer, »wenn ich die Frauen liebte, würde ich die Eure entführen, so reizend finde ich sie.«
»Mein bester Domherr«, sagte ich, »dann müßte ich einem Stellvertreter Gottes voll größten Bedauerns mein Rapier in den Leib rammen.«
»Gott im Himmel! Kann man eine Frau denn bis zum Wahnsinn lieben?«
»Wer eine Frau liebt, liebt sie bis zum Wahnsinn.«
»Das würde ich allerdings von jedem geliebten Wesen sagen.«
»Sagt es nicht, mein lieber Fogacer. Es würde bei einem Domherrn schockierend klingen. Sagt mir lieber, was Euch, zu meiner großen Freude, zu mir führt.«
»Natürlich die große Freude, Euch zu sehen.«
»Mein bester Fogacer, daran zweifle ich nicht. Doch da Ihr der treue Diener des päpstlichen Nuntius’ seid und ich des Königs treuer Diener, erhofft Ihr Euch von mir sicherlich Aufschlüsse für Euren Nuntius, wie ich mir deren von Euch für meinen König erwarte. Nur, wenn Ihr erlaubt, mit Staatsgeheimnissen kann ich nicht aufwarten.«
»Die will ich auch nicht«, sagte Fogacer. »Mein Anliegen ist bescheidener. Ihr sagt mir, warum der König und der Kardinal im Streit lagen, und ich sage Euch den Grund der bösen und wiederholten
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