Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Fontrailles, der naive Anfänger im Verschwörertum, hatte nicht einmal bemerkt, daß er verfolgt worden war, und anstatt nun einen anderen Weg nach Frankreich zu nehmen, ging er auf ganz demselben zurück, ohne sich bewußt zu machen, daß da Augen waren, die ihn auf Schritt und Tritt begleiteten und seine Spur nicht mehr losließen. Und mit dem Moment, er weiß es nur noch nicht, hört der Vertrag in seinem Wamsfutter auf, geheim zu sein.«
»Und wem übergab Fontrailles, in Paris angelangt, den Vertrag?«
»Der Königin, das heißt der Person, die ihn die sicherste dünkte.«
»War sie das?«
»Nein. Sie war viel zu verletzlich.«
»Inwiefern?«
»Durch ihre Kinder. Tatsächlich war sie vom König bereits aufgefordert worden, ohne diese zu ihm ins Roussillon zu kommen. Verzweifelt schrieb sie Brief um Brief an Richelieu, er möge doch auf den König einwirken, sie ihrer Kinderchen nicht zu berauben. Aber wie Sie wissen, liebe Freundin, tat Richelieu nichts umsonst. Die Freundschaftsbezeugungen derKönigin genügten ihm nicht. Er wollte, wie er eines Tages vorm Gerichtshof gesagt hatte, die ›Wirkungen‹ der guten Freundschaft sehen. Die Königin begriff aufs halbe Wort und schickte, nicht ohne schlechtes Gewissen, den verräterischen spanischen Vertrag an Richelieu, der, auf dem Weg ins Roussillon, in Arles Station machte. Die Antwort kam prompt. Der König schrieb der Königin, er halte es für besser, daß sie mit den Kindern in Saint-Germain bleibe, anstatt mit ihnen hier die Strapazen des Roussillon-Feldzugs zu erdulden, der nämlich drohe sehr lang und hart zu werden und könne überhaupt nur gelingen, indem man eine von den Spaniern so machtvoll verteidigte Stadt wie Perpignan belagere und einnehme.«
»Aber, Monsieur, Sie sagen das so kalt, ohne jedes Bedauern. Ist es von Richelieu nicht der pure Machiavellismus, so mit der Liebe einer Mutter zu ihren Kindern zu spielen, nur um seine Ziele zu erreichen?«
»Waren die Ziele von Richelieus künftigen Mördern denn löblicher als die Selbstverteidigung des Ministers, den man ermorden wollte, weil seine Politik sich Spanien widersetzte, das mit seinen Armeen ins Reich eingefallen war und noch immer zahlreiche unserer guten Städte okkupiert hielt? In Arles wurde der verräterische spanische Vertrag Richelieu in aller Frühe von Monsieur de Chavigny überbracht. Die Lektüre dörrte ihm so die Kehle, daß er nach einer Bouillon verlangte, die ihm alsbald gebracht wurde und die er gierig trank. Hierauf pries er Gott, in diesem Belang das Reich und seine eigene Person so wohl behütet zu haben, mit einem Dankgebet, das aus dem Mund eines Prälaten ganz natürlich anmutete, doch hätte Richelieu im stillen ebensogut seinen Spionen und Polizeispitzeln danken können, daß sie so trefflich für ihn gearbeitet hatten.«
Richelieu befahl seinem Sekretär, von dem Vertrag mehrere Kopien anzufertigen, dann beauftragte er Chavigny und mich, den Vertrag dem König zu überbringen, der sich derzeit in Narbonne befand und darauf wartete, sich Perpignan zu nähern, das er, wie gesagt, zu belagern gedachte. Wir, Chavigny und ich, brachen mit starker Eskorte in aller Frühe auf, und weil ich den Gefährten ziemlich bedrückt fand, fragte ich ihn nach dem Grund. Da sagte er mit belegter Stimme, daß er sich große Sorgen um den König und um den Kardinal mache. Beide waren sie sehr darnieder, der Kardinal litt unter einem Sumpffieberund einem Abszeß am Arm, der nicht heilen wollte. Und was den König anging, so hatten seine Leibschmerzen ihn genötigt, die ganze Reise von Paris nach Narbonne in seiner Karosse auf einer Matratze liegend zu bestehen.
Am zwölften Juni trafen wir in Narbonne ein, und sobald wir vorm königlichen Palast abgesessen waren, kam uns Monsieur Bouthillier entgegen und führte uns in die Gemächer des Königs, der zwar aufgestanden war, mir aber trotzdem unwohl und melancholisch erschien. Er redete mit Cinq-Mars. Monsieur de Chavigny näherte sich, zupfte Ludwig am Rockschoß und raunte ihm ins Ohr, daß er ihn gesondert sprechen müsse. Der König zögerte, warf mir einen Blick zu, und da ich bejahend nickte, ging er lebhaften Schrittes in ein benachbartes Zimmer. Cinq-Mars wollte ihm folgen, doch Monsieur de Chavigny sagte in kühlem, gebieterischen Ton: »Monsieur le Grand, ich habe dem König etwas mitzuteilen.« Cinq-Mars erblaßte bei diesen Worten und zog sich zurück.
»Sire«, sagte Chavigny, »beliebt Euch zu setzen. Der Vertrag,
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