Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
den wir bringen, könnte Euch ziemlich aufregen.«
Der König nahm Platz und las den Vertrag ein erstesmal, dann las er ihn zum zweitenmal, bleich, wie erschlagen und keines Wortes mächtig.
»Vielleicht«, sagte er, als er sich gefaßt, in verzweifeltem Ton, »handelt es sich um eine Namensverwechslung.«
»Das ist unwahrscheinlich, Sire«, sagte Chavigny, »er wird im Text mehrmals wiederholt, ebenso wie der von Bouillon und von De Thou.«
»Sire«, setzte Chavigny hinzu, »darf ich Euch raten, Cinq-Mars und de Thou festnehmen zu lassen, bevor sie sich aus dem Staube machen. Wenigstens können sie sich dann erklären.«
»Gebt Order, Chavigny, gebt Order«, sagte der König müde. Dann versank er in eine Stummheit, aus der nichts und niemand ihn herausholen konnte. Als endlich die Nacht kam und er zu Bett lag, fühlte er sich schlecht, nahm Medizin, schlief ein und erwachte gegen fünf Uhr morgens. Da begann er mit klagender Stimme zu sprechen, und Tränen rannen ihm übers Gesicht.
»Was für ein Streich, den Monsieur le Grand mir da gespielt hat!«
Und nach einer Weile, mit trauriger und erloschener Miene, noch einmal: »Was für ein Streich!«
***
Am nächsten Tag lud ich Fogacer zum Mittagsmahl ein. Er war den königlichen Armeen gefolgt, um den Papst über den Krieg zu unterrichten, der, offiziell untröstlich über diesen Bruderkampf zwischen zwei katholischen Ländern, tatsächlich für Ludwigs Sieg bangte und betete, denn die Spanier, die sich mit Gewalt in Norditalien ›breitgemacht‹ hatten, erschienen ihm so raublüstern, daß er für seine eigenen Staaten fürchtete.
»Nun, was denkt Ihr?« fragte ich Fogacer.
»Beide werden sterben müssen.«
»Aber der König zaudert.«
»Warum?«
»Cinq-Mars hat ihn verraten.«
»Es ist sogar zwiefacher Verrat«, sagte Fogacer. »Cinq-Mars hat ihn persönlich und hat die königliche Politik verraten. Und die zwiefache Kränkung verstört ihn in einem Maße, daß er sich fragt, ob die von ihm vorgesehene Strafe auch angemessen ist. Darum hat er Pater Sirmont gerufen, um ihm zu beichten.«
»Und welche Hilfe erwartet er sich von ihm?«
»Mein lieber Herzog«, sagte Fogacer mit seinem langen, gewundenen Lächeln, »kennt Ihr nicht das Beichtgeheimnis? Doch wo man nichts weiß, kann man immerhin vermuten.«
»Vermuten wir.«
»Es kann sein, daß der König Sirmont gefragt hat, ob er, in Anbetracht der liebenden Neigung, die ihn an Cinq-Mars band, ihm einen Prozeß wegen Majestätsverbrechens machen dürfe, der nur mit der Todesstrafe enden kann.«
»Und was, meint Ihr, hat Pater Sirmont ihm geantwortet?«
»Das weiß ich nicht, den Wirkungen dieser Beichte nach denke ich aber, daß Pater Sirmont ja gesagt hat.«
»Und warum denkt Ihr das?«
»Weil Ludwig nach dieser Beichte Befehl erließ, Cinq-Mars und de Thou unverzüglich zu verfolgen, sie festzunehmen, gefangenzusetzen und ihnen den Prozeß zu machen. Was auch geschah.«
Die Herren Cinq-Mars und de Thou waren keine vorsichtigenLeute. Wären sie es gewesen, wären sie nicht zu Fuß zum königlichen Palast gekommen. Als sie nun durch die Tür hörten, daß ihre Verschwörung entdeckt war, liefen sie zwar fort, hatten aber keine Karosse zur Verfügung, um die Flucht anzutreten, die ihnen sonst hätte gelingen können. Da sie, dieses Hilfsmittels bar, zu Fuß flüchteten, wurden sie im Handumdrehen von den königlichen Gendarmen eingeholt, entwaffnet, nach Montpellier gebracht und in der Zitadelle eingekerkert.
Ohne Zeit zu verlieren, schickte der König seine Diener nach Italien, um den Herzog von Bouillon in Casale zu verhaften und nach Frankreich zu bringen, wo er zu Lyon in der Zitadelle des Pierre Encize festgesetzt wurde. Gaston legte in einem Brief ein volles Geständnis ab und schob alle Schuld auf seine Mitverschworenen. Er wußte, daß er auf Grund seines königlichen Blutes mit der Gnade des Königs rechnen durfte. Der Prozeß gegen Cinq-Mars und de Thou hatte in Lyon statt, und so gewissenhaft alle Formen auch beachtet wurden, bestand über das Urteil doch kein Zweifel: Cinq-Mars und de Thou würden zum Tod verurteilt werden.
Was den Herzog von Bouillon betraf, einen geborenen Verschwörer, mit dem Henri Quatre bereits seine Not gehabt hatte, so handelte Ludwig mit aller Härte und Strenge gegen ihn. Er ließ Sedan besetzen, die Stadt, die schon so vielen Verschwörern Unterschlupf gewährt hatte, gleichzeitig verlor Bouillon sein Herzogtum, wofür er allerdings mit sechs
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