Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
gesehen, der seinem Herrn derart anmaßend kommt!«
»Sicherlich kommt das daher, Monseigneur, daß mein Herr, der ein geistvoller Herr ist, in meinen bescheidenen Bemerkungen einige Wahrheit erkennt.«
»Und jetzt singst du auch noch dein Loblied. Höre, Nicolas, nun reicht es! Folge mir, schweig und lecke dir beim Anblick jener Damen nicht die Lefzen.«
Nicolas zur Seite, trat ich näher, grüßte die Dame und das Fräulein nach reinster höfischer Manier mit elegantem Hutschwenk und Kratzfuß, worauf sie mir artige Reverenzen erwiesen.
»Monsieur«, sagte die Dame, »nachdem ich von Eurem reizenden Junker weiß, wer Ihr seid, will ich mich vorstellen. Ichbin die Marquise de Montalieu, und dies ist meine Nichte Adelaïde.«
Ich weiß, Leser, du möchtest jetzt, daß ich dir ein Porträt der Marquise de Montalieu und ihrer Nichte entwerfe. Aber, verzeih mir, hier gilt es erst einmal zu handeln, die Achse muß repariert und wieder eingesetzt werden.
»Madame«, sagte ich, »darf ich, nachdem wir einander vorgestellt sind, fragen, wohin Ihr wollt?«
»Nach Lyon, dort wohne ich.«
»Das ist, Gott sei Dank, ja nicht mehr weit. So erlaube ich mir denn, Euch vorzuschlagen, daß meine beiden Wagner mit Hilfe Eures Kutschers Eure Karosse heil machen, was indes seine Zeit dauern wird. Und inzwischen bringe ich Euch mit Eurer Gefährtin unverweilt nach Hause, wo Ihr gewiß besser aufgehoben seid, und vor allem sicherer vor Wind und Regen geschützt als auf dieser Wiese. In Lyon dann warten wir ab, bis Euer Kutscher mit Eurer Karosse und meinen Wagnern kommt, und dann suche ich mir ein Quartier in Eurer großen Stadt.«
»Guter Samariter Ihr!« sagte sie mit einem vielversprechenden Lächeln. »Ihr wollt mich hernach verlassen? Da wärt Ihr schlecht beraten, denn längst werden die Quartiermeister alle freien Wohnungen in Lyon besetzt haben. Und so wenig, wie Ihr mich hier in Wind und Regen allein lassen wollt, kann ich zugeben, daß Ihr bei dieser Kälte in Eurer Karosse nächtigt. Deshalb, Monsieur, werdet Ihr bei mir wohnen, ebenso wie Euer reizender Junker, Euer Kutscher und Eure Wagner, sobald mein Kutscher sie mit meiner reparierten Kusche heimgebracht hat.«
»Aber, Madame, wir werden Euch zur Last fallen.«
»Durchaus nicht. Mein Haus ist groß, und weil der Gouverneur seine schützende Hand über mich hält, ist es jetzt nicht einmal von königlichen Offizieren belegt.«
Diese freundschaftlichen Worte wechselten wir bereits in meiner Karosse, und die ganze Fahrt nach Lyon über, die wir noch zu bestehen hatten, freute ich mich sehr, daß die Marquise de Montalieu mein Gegenüber war, hatte ich seit meiner Abreise von Paris doch jede weibliche Gegenwart entbehren müssen. Für mein Gefühl war es geradezu eine Blasphemie gewesen, von dieser hohen Dame zu sagen, daß sie »zum Anbeißen« sei, wie niedrig und vulgär für diesen himmlischen Engel!Nicht etwa, daß es ihr an jenen weiblichen Reizen gebrach, denen Männer schwerlich widerstehen können, auch waren ihre schönen Züge durchaus nicht kalt wie bei einer griechischen Statue. Nein, sie war ganz offenbar eine lebendige und lebhafte Frau, die sich jedoch trefflich hinter ihren würdigen Manieren und dem Schild ihrer Frömmigkeit verschanzte.
***
»Monsieur, auf ein Wort, bitte.«
»Madame, ich höre.«
»Für gewöhnlich erzählen Sie in Ihren Memoiren ihre Erfolge, aber nie Ihre Mißerfolge.«
»Meine Teure, wenn Sie damit auf die Marquise de Montalieu anspielen wollen, so gab es da keinen Mißerfolg, weil ich nichts versucht habe.«
»Und warum?«
»Der bloße Anblick ihres Hauses jagte mir Respekt ein. An den Wänden sah man nichts wie Gemälde von Gottvater, von der Heiligen Dreifaltigkeit, der Jungfrau Maria, dem Jesuskind, von Jesus und seinen Jüngern, vom gekreuzigten und vom auferstandenen Jesus. In so erhabener, Anbetung heischender Gesellschaft schien menschliche Liebe mir nicht am Platz. Ich schämte mich meiner irdischen Neigungen und bemühte mich, wenn nicht die Liebe, so wenigstens die Freundschaft der schönen Frömmlerin zu erringen.«
»Und gelang es Ihnen?«
»Es bedurfte großen Feingefühls, doch erlaubte sie mir schließlich, ihr Freund zu sein.«
»Ohne Hintergedanken Ihrerseits?«
»Das hätte sich nicht geziemt.«
»Sagten Sie aber hinsichtlich der Prinzessin von Guéméné nicht einmal, daß eine Freundschaft zwischen Mann und Frau immer gefährlich sei?«
»Für die Guéméné traf das ja zu, aber für die
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