Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
geheimgehalten, wie ein Staatsgeheimnis. Der Feind könnte Mut schöpfen, wenn er die Wahrheit erführe. Fogacer, dessen Beziehung zum apstolischen Nuntius Ihr ja kennt, hat geschworen, nichts darüber verlauten zu lassen. Glaubt Ihr, daß er Wort hält?«
»Davon bin ich überzeugt. Er ist ein unbedingter Ehrenmann. Und was mich angeht, versteht es sich von selbst, daß ich stumm bleibe wie ein Karpfen. Doch wie steht es mit den ausländischen Gesandten, die dem Hof von Ort zu Ort nachfolgen?«
»Weil wir Richelieus Leiden nicht gänzlich verbergen konnten, haben wir sie minimiert. Wir ließen verbreiten, er habe die Gicht, eine bei den Großen dieser Welt ja verbreitete Krankheit. Im übrigen wird niemandem erlaubt, ihn zu besuchen, außer seinen getreuesten Dienern, deren Ihr einer seid, mein lieber Herzog. Denn Ihr würdet Euch täuschen, zu denken, daß er sich Ruhe gönnt; auch liegend und leidend läßt er nicht von seiner gigantischen Arbeit, wie der Märtyrer von seinem Kreuz.«
Hierauf ertönte eine Klingel, und Bouthilliers sagte: »Kommt, jetzt seid Ihr an der Reihe, der Kardinal ruft Euch.«
Und ganz wie erwartet, erblickte ich in dem Zimmer, das ich betrat, nichts wie Vergoldungen, Gemälde, Statuetten und Kostbarkeiten. Der Kardinal indessen, der halb auf einem Feldbett lag, trug nicht seine rote Soutane, die ihm wegen der Schwellung an seinem rechten Arm wahrscheinlich zur Last war, sondern einen schlichten Überwurf, dessen leichte, weite Ärmel seiner Wunde besser bekamen, und über dem einfachen Gewand ein Kreuz auf der Brust.
Ich beugte das Knie vor ihm, und mit schwacher, doch fester Stimme begann Richelieu zu sprechen.
»Herzog«, sagte er, »in Anbetracht meines Zustands kann ich Euch nur wenig Zeit widmen. Darum gleich meine Frage: Habt Ihr, wie ich Euch bat, Spanisch gelernt?«
»Ja, Monseigneur.«
»Und seid Ihr imstande, mit einem spanischen Offizier die Übergabe einer Festung und die Bedingungen dieser Übergabe zu verhandeln?«
»Das bin ich sicherlich«, sagte ich mit fester Stimme, obwohl ich mir insgeheim durchaus nicht sicher war.
Doch ich kannte Richelieu und wußte ja, daß er, bei seinem immensen Selbstvertrauen, es gar nicht leiden konnte, wenn seine Diener zu bescheiden waren oder zögerten.
»Gut, Herzog«, fuhr er fort. »Dann möchte ich, daß Ihr mit unseren Musketieren umgehend nach Sigean zum König aufbrecht. Bouthillier wird Euch eine neue Börse für Eure Kosten aushändigen. Ich wünsche Euch gute Reise, mein Cousin.«
Im Unterschied zum König, der vom Protokoll dazu gehalten war, nannte Richelieu die Pairs und Marschälle fast nie »mein Cousin«. Er erwies mir hiermit also eine besondere Ehre.
Nachdem ich zum Gruß das Knie gebeugt hatte (ohne jedoch den Boden zu berühren, wie ich es beim König tat) und mich erhob, warf ich einen verstohlenen Blick auf ihn und erschrak, so hohl und bleich erschien mir sein Antlitz. Wenn er nun sterben würde, dachte ich, welch ein ungeheurer Verlust für den König und das Reich!
Der Weg von Narbonne nach Sigean war kurz. Weil ich aber nicht in hungrigem Zustand vorm König erscheinen wollte (wußte ich denn, ob er in der Wirrsal seiner Krankheit daran denken würde, mich zu verköstigen?), machte ich einen kleinen Umweg zur Abtei Fontfroide, wo die Mönche, die nicht mit Verneigungen geizten, mich ihren Kreuzgang mit den achtfachen Gewölbebögen besichtigen ließen, die tatsächlich ein Wunderwerk sind. Doch boten die Klosterbrüder mir ein Mahl, das ich mehr als kärglich fand, und ich fragte mich, ob sie sich sonst wohl damit begnügten, so wohlgenährt sahen sie sämtlich aus. Schweigend, und ich sollte sagen fromm, legten sie, nachdem ich mein Mahl beendet hatte, einen Kollektenbeutel neben meinen Teller. Als ich hineinschaute, sah ich, daß er voller Goldstücke war, was ja wohl hieß, daß ich schweigend aufgefordert wurde, auch einen Taler beizusteuern. Denn wie hätte ich weniger geben können, da ich nicht allein Herzog und Pair, sondern obendrein Ritter vom Heilig-Geist-Orden war?
So wenig mich Richelieus Palast zu Narbonne beeindruckt hatte, so sehr gefiel mir die Ortschaft Sigean in ihrer ursprünglichen Ländlichkeit. Das Städtchen erhob sich an einem Salzsee, den das Meer durch einen Arm speiste, der leider nicht breit genug war, ein Schiff hindurchzulassen. Wäre er es gewesen,wie herrlich hätten die Einwohner ihn mit Fischerbooten befahren können. Doch die Sigeanesen waren pfiffig und hatten ein
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