Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Marquise de Montalieu kam es gar nicht in Betracht.«
»Haben Sie sie wiedergesehen?«
»Später, als ich im Auftrag des Königs nach Lyon kam, um der Hinrichtung von Cinq-Mars beizuwohnen. Sowie ihr Majordomus mich in ihr Haus führte, zeigte die Marquise die lebhaftesteFreude, lud mich zum Abendessen und bot mir ein Zimmer in ihrem Hause an.«
»Ohne daß die Sachlage sich änderte?«
»Ohne daß sie sich änderte.«
»Monsieur, wenn ich jetzt von der kleinen zur großen Geschichte wechseln darf, was machten der König und Richelieu in Lyon?«
»Sie nahmen auf der Place des Terreaux – dort, wo dann Cinq-Mars das Leben verlieren sollte –, die Parade der fünfzehntausend Infanteristen und vierzehntausend Berittenen der königlichen Armee ab. Es war ein äußerst eindrucksvolles Schauspiel für die Anwesenden und überzeugte einen jeden, daß uns das Roussillon wie eine reife Frucht in den Schoß fallen werde.«
»Und fiel es?«
»Leider nicht. Die Eroberung erforderte große Anstrengungen und viel Zeit. Es war ein sehr langer Weg von Lyon bis Narbonne, und diesmal folgte ich der Armee nach, anstatt ihr vorauszuziehen.«
»Warum?«
»Um so schnell wie möglich zu wissen, wo der König und Richelieu sich niederließen und mich zu ihrer Verfügung zu halten.«
»Monsieur, darf ich fragen, wo Narbonne liegt?«
»Es wäre ein leichtes, Ihnen die Stadt auf einer Karte zu zeigen. Aber bedauerlicherweise sind Karten selten, teuer und meistens ungenau. Meine steckt in meinem Gepäck, und der Teufel mag wissen, wo ich sie hingestopft habe. Also will ich versuchen, Ihnen die Lage der Stadt zu beschreiben.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Die Mittelmeerküste von Nizza bis Montpellier erstreckt sich gen Süden, bei Montpellier indes biegt sie sich so stark, daß diese Seite gen Osten schaut. Dort liegen nur zwei große Städte, im Norden Narbonne und im Süden Perpignan, doch sind an der eigentlichen Küste wer weiß wie viele kleine Städte oder Hafenorte entstanden, die ganz reizend sind. Schon ihre Namen klingen fröhlich: Sigean, Leucate, Argelès, Collioure. Das Hinterland besteht aus grünem Weideland, tiefen Wäldern und kleinen Bergen, kaum über siebenhundert Klafter hoch, die sich an die mächtigen Pyrenäen anlehnen.«
»Ich nehme an, Ludwig war glücklich, in ein so warmes Land zu kommen.«
»Warm, liebe Freundin, war es nicht immer, vor allem nicht, wenn von den Pyrenäen die Tramontana über die Küste blies. Allerdings ist diese warme und wasserreiche Region reich an Gemüse, Früchten und Wein, der zum sehr mäßigen Preis von vier Sous pro Krug verkauft wird. Und als ich im Feldlager auf Monsieur de Guron traf, beobachtete ich, daß ihm unabänderlich ein Diener mit zwei Krügen folgte, über deren Inhalt ich nach der hochroten Gesichtsfarbe meines Freundes keinen Zweifel hegen konnte. Um aber auf unser Roussillon zurückzukommen, so war die Luft zwar von Wohlgerüchen erfüllt, was uns nach unserem stinkenden Paris ungemein erquickte, doch sobald der Sommer kam, brachte er Sonnenhitze, einen klaren Himmel, ein blaues Meer, aber leider auch Wolken von Mücken mit, etwas völlig Unbekanntes für denjenigen, der immer in Versailles gelebt hat. Doch nun erlauben Sie, schöne Leserin, daß ich noch ein wenig zurückgreife.«
***
Herauszufinden, wo in Narbonne Richelieu wohnte, war nicht schwer – obwohl sein Logis geheimgehalten wurde –, denn anders als der König, war der Kardinal auf Luxus versessen, ich brauchte also nur nach dem schönsten Haus der Stadt zu fragen und wußte, wo er anzutreffen war. Kaum daß ich die monumentalen Stufen seines Palastes zu erklimmen begann, erkannten mich die Musketiere, die sie bewachten, nachdem sie mich scharf ins Auge gefaßt hatten, und gaben mir den Eintritt frei. Der Oberhofmeister Bouthilliers erschien, umarmte mich und unterrichtete mich
sotto voce
, es gehe dem Kardinal sehr schlecht, ich dürfe nicht lange bei ihm bleiben.
»Oh, mein Gott!« sagte ich, »woran leidet er?«
»An einer großen Wunde am rechten Arm, die nicht zuheilen will, und an einem heftigen Fieber. Zum Glück war der ehrwürdige Doktor und Domherr Fogacer zur Stelle und verordnete, nachdem er die unwissenden Ärzte des Kardinals vertrieben hatte, daß Richelieu weder purgiert noch zur Ader gelassen werde. Dank dessen ist der Kardinal noch einigermaßen bei Kräften.«
»Mein Gott!« sagte ich, »ich wußte gar nicht, daß es ihm so schlecht geht.«
»Es wurde eben streng
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