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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Etappen bat er zuweilen Monsieur de Guron oder mich, ihm Gesellschaft zu leisten. Monsieur de Guron behielt er nur etwa eine Stunde bei sich. Über alles, was zwischen dem König und ihm gesprochen wurde, wahrte Monsieur de Guron Stillschweigen, und als ich ihn einmal nach dem Befinden Seiner Majestät fragte, entgegnete er: »Herzog, Ihr werdet es selber sehen, er läßt Euch bald rufen.« Und wirklich kam der königliche
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mich an der folgenden Etappe holen.
    Ludwig schlummerte. Sein nicht eben königliches Bett bestand aus einer Matratze, die auf zwei sich gegenüberstehende Bänke gelegt war, zwei Schemel im Zwischenraum gaben der Matratze Halt. Das Gesicht des Königs war blaß und hohl, die Hände hatte er auf dem Bauch liegen, wie um seine Schmerzen zu lindern.
    »Ach, seid Ihr es, Sioac?« sagte er. »Nehmt Platz. Ich freue mich, Euch zu sehen.«
    »Sire, ich bin sehr bewegt, daß Eure Majestät mich so empfängt.«
    »Du hast es verdient, Sioac. Du warst immer einer meiner treuesten Diener.«
    »Sire, abermals danke ich Euch, und ich bete glühend dafür, daß Ihr so schnell wie möglich von dem Leiden genest, das Euch plagt.«
    »Das ist aber nur der eine Teil von dem, was mich niederdrückt«, sagte der König. »Durch einen Kurier erfahre ich soeben, daß es dem Herrn Kardinal sehr schlecht geht, und wenn sein Befinden ebenso schlecht ist wie meins, fürchte ich für die Zukunft des Reiches.«
    »Aber Sire, ich bin mir ganz sicher, daß es Euch bald wieder besser gehen wird, so wie damals in Lyon, nachdem schon das Schlimmste zu erwarten stand.«
    »In Lyon, Sioac, das war ein Gotteswunder, wie der Abszeß in meinem Bauch von selbst aufging und sich mit einem Blutstrom entleerte. Ist es weise, ein zweites Wunder von Gott zu erwarten?«
    »Möge Gott es wollen, Sire! Zur Zeit betet das ganze Reich für Euch, und es kann doch nicht sein, daß diese Gebete keineWirkung haben sollten, so zahlreich und inbrünstig, wie sie sind.«
    »Laß uns aufhören, von meinen Erdentagen zu reden. Was ich mir jetzt von dir wünsche, Sioac, ist eine Probe deiner umfassenden Kenntnisse.«
    »Sire, meinen großen Dank, aber sind sie denn so umfassend?«
    »Sprichst du, außer deiner Muttersprache, nicht noch drei andere Sprachen?«
    »So ist es.«
    »Siehst du. Und was ich von dir will, ist, daß du mir jetzt alle Feldzüge heraufrufst, die ich in meiner Regierungszeit geführt habe.«
    So sonderbar dieses Begehren mich auch anmutete, das er ja zu meiner Verwunderung schon einige Tage zuvor einmal geäußert hatte, konnte ich mich ihm doch nicht entziehen. Und mit lauter und klarer Stimme begann ich all seine Feldzüge aufzuführen: Wie er in Italien Susa eroberte, Pignerol besetzte, Casale verteidigte, wie er La Rochelle belagerte, wie er sich die Städte in Lothringen oder am Rhein unterwarf, wie er siegreich gegen die Spanier und die Kaiserlichen kämpfte und,
last, but not least
, das Artois zurückgewann und zuletzt das Roussillon. Nun, wie ich ja wußte, kannte Ludwig sich in den Einzelheiten seiner Kriege viel besser aus als ich, und mehr als einmal ergänzte oder verbesserte er mich, was ihm, wie mich dünkte, jedesmal ein Vergnügen bereitete. Er fügte meiner Erzählung keinen Kommentar an, doch da ich verstohlen sein Gesicht befragte, schien mir, daß er tiefe Befriedigung empfand angesichts des Werkes, das er mit Richelieus Beistand vollbracht hatte, um sein Reich zu schützen und zu vervollständigen.
    »Sioac«, fuhr er dann fort, »ich möchte dir einen schwierigen Auftrag erteilen, ich würde sogar sagen, daß es eine Prüfung ist, aber ich weiß nicht, ob du annimmst.«
    »Sire, könnt Ihr an meiner Einwilligung zweifeln?«
    »Nein. Hört, Sioac, um was es mir geht. Ich möchte, daß Ihr Eure Accla besteigt und mit einem Dutzend Musketiere versucht, den Herrn Kardinal einzuholen. Und nehmt, außer den Musketieren, die ich Euch zur Eskorte mitgebe, den Doktor Fogacer mit. Doktor Bouvard drückt sich, weil er einen Kardinalbehandelt, immer so weitschweifig und hochtrabend aus. Und vor allem schreibt und spricht er einen lateinischen Jargon, den man schwer versteht. Ich möchte Klarheit haben und wissen, wie es mit dem Kardinal steht. Er ist wie wir auf dem Weg nach Paris und kann uns nicht weit voraus sein. Sobald Ihr ihn eingeholt habt, soll Fogacer den Kardinal untersuchen und seinen Eindruck schriftlich niederlegen, worauf Ihr mir seinen Bericht sofort durch Kurier übersendet.«
    Und so geschah

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