Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
es. In Roanne holte ich den Kardinal von Richelieu ein, gerade als er im Begriff stand, sich einzuschiffen, weil er die Reise auf Flüssen und Kanälen den holprigen Straßen vorzog. Da er Fogacer und mich auf sein Schiff einlud, übergab ich Nicolas meine Accla, meinen Wagen und meine Eskorte, bis wir in Nemours, wo der Wasserweg für uns enden mußte, wieder zusammenträfen. An Bord nun erhielt Fogacer die Erlaubnis des Kardinals, ihn zu untersuchen, worauf er seinem Patienten versicherte, daß nichts, was er habe, einen fatalen Ausgang befürchten lasse.
Weil nun der König, der sich um Einzelheiten weniger kümmerte als Richelieu, mich nicht mit Geld für meinen und meiner Leute Unterhalt versehen hatte, mußte ich Bouthillier aufsuchen, den Oberverwalter der Finanzen. Er bewilligte mir eine so schmale Summe wie möglich und verlangte dafür wer weiß wie viele Unterschriften, wo eine, wie ich fand, genügt hätte.
Allein in der Kabine, die Fogacer und ich teilten, diktierte er mir einen Brief an Ludwig, worin er sich weit weniger optimistisch äußerte: Der Kardinal litt nach wie vor an dem Abszeß an seinem Arm, der trotz aller ärztlichen Bemühungen nicht heilte. Und obendrein hatte er ein böses Geschwür am Gesäß, das ihm große Schmerzen bereitete.
Zu diesem Geschwür muß ich ein Wort sagen. Seit Jahren war es am Hof bekannt, daß Richelieu unter Hämorrhoiden litt, weshalb unsere Herrchen und Dämchen, die den Kardinal natürlich nicht ausstehen konnten, ihn mit ihrem erlesenen Zartgefühl »Stinkarsch« getauft hatten.
Nachdem Fogacer sein Diktat geendigt hatte, sagte ich, daß meines Erachtens doch aber kein Grund zum Schwarzsehen bestehe.
»Ja«, sagte Fogacer, »wenn der Kranke nicht durch seine Arbeit so erschöpft wäre. Und erschöpft ist er, und zwar in einemMaße, daß in seinem Körper nichts mehr recht funktioniert, weder das Herz noch die Lungen, noch die Gedärme. Außerdem scheint er eine Art Brustfellentzündung zu haben. Der Mann ist verbraucht, darum steht für ihn das Schlimmste zu befürchten.«
»Aber wozu muß man Ludwig vorzeitig beunruhigen? Es wird ihn hart genug treffen, wenn Richelieu einmal nicht mehr ist.«
Leser, es ist seltsam, ich schwebte auf diesem Schiff in wahrhaft großem Bangen um Richelieus nahes Ende, und trotzdem konnte ich darum mit nicht geringerer Freude genießen, was diese Fahrt auf den Flüssen und Kanälen unseres lieblichen Frankreich mir bescherte, die uns von der Loire in den Kanal von Montargis führte und von besagtem Kanal in den Loing, dessen beide Ufer in der schönsten herbstlichen Farbenglut prangten.
In Nemours traf ich, wie vorgesehen, wieder auf Nicolas, auf meine Eskorte und Karosse. Mit Erlaubnis und Segen des Kardinals nahm ich von ihm Urlaub und kehrte heim nach Paris zu den Meinigen, doch leider nur für kurz, denn beim Abschied sagte Richelieu, daß der König sich mit dem Hof in Fontainebleau befinde und daß ich mich schnellstmöglich bei ihm einfinden solle.
Offen gestanden, gab ich dem König einen regelrechten Korb, als ich ohne Erlaubnis zuerst zu meiner Familie eilte. Nicht daß er hätte sagen können, ich hätte ihn versetzt. Ich hatte lediglich gesäumt, ihn aufzusuchen. Am Hof sah man mich als einen der Favoriten des Königs an, und das war ich ja wohl, aber diese Gunst hatte auch eine unbequeme Seite, denn je näher man einem König steht, desto mehr wird man sein Sklave.
Meine Leser können sich bestimmt vorstellen, wie ich zum Empfang in meinem Haus in der Rue des Bourbons von Catherine, Emmanuel und Claire-Isabelle geherzt und geküßt wurde. Sie waren alle noch viel hübscher geworden, fand ich und sagte es ihnen, worauf Catherine lachte, aber Claire-Isabelle nahm das Kompliment ganz ernst und warf mir ohne Ende die süßesten Blicke zu. Ich hatte immer gedacht, daß die Frauen das Kokettieren erst lernen müßten, aber da meine Catherine ohne alle Künstelei war, sah ich nun, daß es den Mädchen angeboren ist, von der Wiege auf.
Am nächsten Morgen begab ich mich in den Louvre, zu Pferde und nicht im Wagen, um die Zufahrt zum Schloß nicht zu verstopfen. Es war eine unnötige Besorgnis, denn alles stand leer, und der betreßte Torhüter, der mit einigen Soldaten das Tor bewachte, sagte, der Hof sei am Tag zuvor nach Fontainebleau aufgebrochen, mit Ausnahme einiger Damen, die mit dem Packen nicht fertig geworden seien und die anderntags folgen würden.
»Die Frau Prinzessin von Guéméné vielleicht auch?«
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