Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
fragte ich.
»Ich glaube, ja, Monseigneur. Ich sah heute morgen ihren Kutscher ganz wohlig und locker die Nase in den Wind halten, ein Zeichen, daß er heute faulenzen und picheln kann.«
»Dann will ich mein Glück versuchen«, sagte ich, steckte dem Türhüter einen Taler zu (denn wie könnte man einem königlichen Türhüter weniger geben?), und das Tor ging für mich auf.
Wie sonderbar war es, allein durch diese einsamen Flure des Louvre zu wandeln, wo es sonst von früh bis spät von Gecken und Zierpuppen wimmelte, die lachten, tratschten und über ihren Nächsten spotteten!
Endlich klopfte ich an die Tür der Prinzessin von Guéméné, und es dauerte eine Weile, bis ihr stattlicher
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erschien, ganz verblüfft, mich zu erblicken, hätte doch auch seine Herrin gar nicht mehr da sein dürfen.
»Monseigneur«, sagte er, »ich grüße Euch untertänigst.«
»Ich komme, weil ich hörte, daß die Prinzessin von Guéméné noch nicht abgereist ist.«
»In der Tat, Monseigneur, und daran sind nur die albernen Kammerjungfern schuld, die vor lauter Schwatzen und Klatschen stundenlang brauchen, um ein einziges Kleid zusammenzulegen.«
Wie man sieht, sind die höhergestellten Bediensteten oft gnadenloser gegen niedriger stehende als sogar ihre Herrschaft und schikanieren und schurigeln sie zuweilen ohne Erbarmen.
Bei der Prinzessin eintretend, sah ich auf den ersten Blick, daß ich nicht ungelegener kommen konnte. Die Dame malte sich die Fingernägel rot, eine so heikle Operation, daß sie keine Jungfer damit betrauen mochte und sie lieber selbst übernahm. Kaum sah sie mich, hob sie abwehrend eine Hand.
»Herzog, bitte, kommt mir nicht zu nahe!« rief sie. »Ihr würdet alles verderben.«
»Wenn es so ist, tue ich wohl besser, mich zurückzuziehen«, sagte ich, etwas pikiert über solchen Empfang.
»Nein, nein«, sagte sie, »damit würdet Ihr mich unendlich kränken. Nehmt hier auf dem Schemel Platz, zu meinen Füßen, und betet mich ohne Worte an. Das hilft mir, meine Sache zu Ende zu bringen.«
»Ohne Worte, meine Teure! Schweigen ist für Leute, die sich lieben, von Übel. Da geht man doch besser.«
»Nein, nein. Ärgert mich nicht. Erzählt mir lieber von Eurem Feldzug.«
»Mein Gott! Es ist schon langweilig genug, den durchzuhalten. Soll ich auch noch davon erzählen, und noch dazu einer, die sich dafür überhaupt nicht interessiert!«
»Dann erzählt von den Damen, die Euch unterwegs wohlwollten.«
»Zum Teufel, Madame! Gehöre ich zu den Gecken, die sich überall lauthals ihrer Eroberungen rühmen!«
»Es geht nicht darum, daß Ihr Euch rühmen sollt, zerstreuen sollt Ihr mich. Also bitte, heraus mit der Sprache! Ihr seid doch für jede einigermaßen ansehnliche Frau eine so leichte Beute. Sie braucht Euch nur schöne Augen zu machen, schon seid Ihr hin. Sie muß Euch nur noch das Halfter überwerfen.«
»Da Ihr mich nun zum Pferde macht, werde ich ja bestimmt wiehern können, nur reden, Madame, das kann ich, Gott sei Dank, nicht.«
»Ach, bitte, mein Freund, redet! Erzählt mir von Euren Eroberungen.«
»Nein. Mein Entschluß ist ehern.«
»Dann bin ich böse.«
»Wenn Ihr böse seid, werde ich auch böse.«
»Also, Ihr erzählt nichts?«
»Nein.«
»Was ist aus dem schönen Halfter geworden, das ich Euch überwarf?«
»Ihr habt zu fest gezogen, es ist gerissen.«
»Und warum?«
»Wie Pferde oft, bin ich stolz und störrisch.«
»Monsieur, da es nicht anders zu gehen scheint, spiele ichjetzt meinen letzten Trumpf aus: Wenn Ihr mir nachgebt, erzähle ich Euch, wie die Königin und der König bei seiner Heimkehr aus dem Roussillon einander begrüßten.«
»Woher wißt Ihr, daß die Geschichte wahr ist?«
»Sie ereignete sich in Fontainebleau, und ich war dabei.«
»Gut, ich schlage ein und höre.«
»Nun denn, es war zwar kein Skandal, aber doch eine unglaubliche Überraschung für den Hof. Folgendes trug sich zu. Die Königin, die von ihren Kurieren hörte, daß Ludwig auf seiner Rückkehr aus dem Roussillon zuerst in Fontainebleau Station machen werde, begab sich dorthin, ihn zu erwarten Aber fragt mich nicht, weshalb der König dieses Schloß als erstes aufsuchte.«
»Meine Beste, ich kann es Euch sagen. Der König liebt Fontainebleau, weil er dort geboren ist. Er hat dort sein Gemach, wo er immer noch schläft, wenn er sich einmal in dem Schloß aufhält. Sogar seinen Rat versammelt er dort. Was uns allerdings nicht sonderlich gefällt, denn der Raum ist so klein,
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