Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
in schrillem Ton: ›Es ist ein Aufstand, sich einzubilden, daß es einen Aufstand gibt. Das sind die Märchen derer, die ihn wollen!‹
Leser, sicherlich kennst du das, daß es vor einem Krieg immer Leute gibt, die sich weigern, an ihn zu glauben. Das kommt auf das gleiche heraus, wie wenn man sagt: ›Diese Aussicht erschreckt mich, darum leugne ich sie.‹ Doch da schaltetMazarin sich ein. Ohne für Gondi Partei zu ergreifen, verbürgt er sich für dessen Aufrichtigkeit, die Königin kommt langsam zu sich und hält ihren Mund, vorläufig wenigstens, und die Anwesenden, also Gondi, Gaston, Mazarin, Guitaut, Longueville und ich, beginnen, ermutigt durch dieses Schweigen, über die Meuterei zu sprechen, denn niemand will das geächtete Wort in den Mund nehmen, das dennoch die Wahrheit trifft: Aufstand.
Guitaut, den ich sehr schätze, weil er der einzige am Hof ist, der immer und überall sagt, was er für wahr hält, manchmal freilich nicht sehr geschickt, bittet die Königin um Erlaubnis, seine Meinung zu äußern. Gnädig willigt sie ein, und Guitaut sagt klipp und klar, was er denkt: ›Das beste ist, man gibt diesen Rebellen den alten Broussel heraus, ob tot oder lebendig.‹ Kaum hat er ausgeredet, färbt sich die Königin purpurn. Doch Gondi springt Guitaut geschickt bei.
›Ihn tot herausgeben? Nein!‹ ruft er. ›Das wäre seitens der Königin weder barmherzig noch klug, man wird ihn lebend herausgeben, und nur damit kann dieser Tumult beendigt werden.‹
Beachten Sie bitte, daß Gondi das Wort Tumult gebraucht hat, das die Dinge sehr verkleinert, und nicht das Wort Aufstand, das die Königin zuvor für tabu erklärt hat.
Trotzdem läuft die Königin hochrot an und stampft mit dem Fuß. Sie schleudert Gondi wütende Blicke zu und schreit: ›Herr Koadjutor, Ihr wollt, daß ich Broussel freilasse. Eher würde ich ihn mit diesen meinen Händen erwürgen, und Euch ebenso.‹
Wir sind niedergeschmettert, Schweigen macht sich breit, ein sehr langes und lastendes Schweigen, bis Mazarin sich der Königin nähert und ihr eine Weile ins Ohr spricht. Wirklich, ich baue auf diesen liebenswerten Kardinal. Er könnte einen Tiger besänftigen.«
***
»Monsieur, bitte, was ist eine Barrikade?«
»Schöne Leserin, Ihre Frage verrät, daß Sie sehr jung sein müssen. Zu jung, um die Pariser Barrikaden von 1968 miterlebt zu haben.«
»Stimmt.«
»Ich würde also zunächst sagen, daß eine Barrikade aus Fässern,
barriques
, errichtet wird, um eine Straße zu versperren,aber nicht nur aus Fässern, sondern ebenso aus den verschiedensten anderen schweren Gegenständen. Die Fässer sind meistens mit Erde oder Steinen gefüllt, damit sie einem Musketenbeschuß standhalten. Hinter dieser Barrikade lauern die Aufständischen, um auf die königlichen Soldaten zu schießen, falls die ihre Festung zu stürmen versuchen. An den Fenstern oben warten Gevatterinnen mit einem Vorrat an dicken Steinen, um sie auf die Angreifer hinabzuschleudern.«
»Wenn ich recht verstehe, Monsieur, hat eine reguläre Armee wenig Chancen, sich einer Barrikade zu bemächtigen.«
»Doch, sie kann stärkere Mittel einsetzen, Sprengbomben und Kanonen. In dem Fall gäbe es viele Tote, und die Versöhnung des Volkes mit der Königin würde in nebelhafte Ferne rücken.«
»Monsieur, darf ich noch etwas fragen? Könnte es sein, daß die Königin, in allen Ehren, eine Schwäche für Gondi hat?«
»Darauf kann ich nur antworten, daß alle Frauen eine Schwäche für Gondi haben.«
»Und hat Gondi eine Schwäche für das
gentil sesso
?«
»Meine Beste, lernen Sie die Priester kennen: Daran hat das geistliche Kleid noch nie einen gehindert.«
»Eine letzte Frage bitte, Monsieur. Von Gondi höre ich, er sei Koadjutor. Was heißt das?«
»Das ist ein Geistlicher, der einem Bischof in der Ausübung seines Amtes hilft und nach dessen Tod fast immer seine Stelle einnimmt.«
Da die Königin nun beschlossen hatte, Broussel freizulassen, anstatt ihn »mit eigenen Händen zu erwürgen«, mußte sich jemand bereitfinden, der den Aufständischen diese Nachricht unter Lebensgefahr mitteilte, denn auch wenn es eine gute Nachricht war, blieb die Mission gefahrvoll, das Volk haßte alles, was vom Hof kam. Zu diesem Schritt nun erbot sich der Koadjutor Gondi, und in eine schlichte Albe mit engen Ärmeln und eine kurze Pelerine gekleidet, brach er auf. Wirklich schützte ihn sein Kleid in hohem Maße, ebenso aber auch die Segnungen, die er auf dem Weg durch die
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