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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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war, musste der Transport plötzlich halten. Misstrauische Grenzwächter deckten die Plane ab, nahmen die Deckel von einigen Fässern ab und tauchten ihre Hände in das Salz. So tief reichen eure nichtswürdigen Arme nicht, dass ihr die wahre Konterbande berührt, dachte Henri. Er hatte keine Angst, die königlichen Zöllner könnten ihm auf die Schliche kommen, die Tarnung war zu gut.
    Aber wenn doch?
    Seine fünf Begleiter, allesamt harmlose Kaufmannsgesellen aus einem Pariser Vorort, waren dann keine Hilfe. Wenn es zum Äußersten kam, musste er allein und schnell handeln. Unwillkürlich fuhr seine Hand unter sein Gewand, wo im Gürtel sein Schwert steckte.
    Die Stichproben der Zöllner ergaben nichts. Als Henri schon aufatmen wollte, tauchte aus dem Schatten des Turms, vor dem sich die Schranke befand, ein Offizier auf. Es war ein Hüne in geschniegelter, blauroter Uniform. Er schrie: »Ihr seid wohl nicht zufällig Templer, äh? Unterwegs mit Eurem sündhaften Schatz, äh? Abladen! Die Fässer werden visitiert!«
    Henri durchfuhr es eiskalt. Blitzschnell überlegte er, was zu tun war. Wenn der Offizier es ernst meinte, flog alles auf, und er musste sofort fliehen. Aber da er gewohnt war, die Entwicklung der Geschehnisse kaltblütig zu beobachten, sagte er:
    »Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass wir Templer sind!«
    »Äh?«
    »Wir sind Kaufleute aus den Sumpfwäldern um Paris, mit Gurken für Alencon. Ihr könnt heute Nachmittag auf dem Markt überprüfen, ob wir eingelegte Gurken in Salz oder goldstarrende Preziosen verkaufen!«
    Die Zollsoldaten lachten hämisch. Der Offizier lief rot an. »Abladen!«, brüllte er noch einmal.
    Henri legte selbst Hand an. Er löste Knoten für Knoten der Verschnürung, die ihn bei der Abfahrt viel Zeit gekostet hatte, und wuchtete die Fässer vom Wagen herunter. Er wusste, es war ein Fass dabei, das wirklich von oben bis unten nur mit Gurken beladen war. Als er den Deckel öffnete, richtete er es so ein, dass Schaden entstand. Er versetzte einem herumschnüffelnden Straßenköter einen Fußtritt, der Hund flog jaulend gegen einen Gehilfen, der ausweichen wollte und dabei das Fass umstieß. Henri fluchte laut.
    »Du Scheiße am Huf eines Esels, kannst du nicht aufpassen! Habe ich euch nicht eingebläut, wie teuer die Gurken sind!«
    Der Inhalt des Fasses verteilte sich über das schmutzige Pflaster – nichts als Salz und Gurken. Wieder lachten die Soldaten wiehernd. Der Offizier musste zur Seite springen, als das säuerlich stinkende Salz seine neuen Stiefel bedrohte.
    »Was soll ich jetzt machen!«, jammerte Henri überzeugend. »Diese Gurken kann ich nicht mehr verkaufen! Ein ganzes Fass Verlust!«
    »Packt das ausgelaufene Fass mit den anderen Fässern auf den Wagen zurück und trollt euch! Das stinkt ja! – Soldaten, macht hier sauber, aber allez!«
    Henris Gehilfen bugsierten die Fässer auf den Wagen zurück und verschnürten die Seile wieder. Dann setzte sich der Zug in Bewegung, angetrieben von Henris tiefer, scheinbar noch immer ärgerlicher Stimme.
    Um keinen Verdacht zu erregen, musste Henri am Nachmittag die Wagen im Kreis auffahren, seine zusammenklappbaren Verkaufstische aufbauen und Gurken verkaufen. Vor einem aufwendigen Laden mit Fensterverglasung und Schindeldeckung an einem Klosterstift fand der Markt statt. Auch die Stiftsdamen aus adligen Familien kamen mit halb verhüllten Gesichtern zum Kauf. Hier mussten jedoch nach einem heftigen Gewitterregen, den alle herbeigesehnt hatten, erst Schlamm und Schmutz beseitigt werden, bevor Weine, Tuche, Töpferwaren, Färbemittel, Papier und vor allem Knochen verkauft werden konnten.
    Der Marktkontrolleur kam und kassierte Standgebühren, überprüfte mit seinen Visiermaßen Henris Waage, hatte aber nichts zu beanstanden. Der Gurkenverkauf ging schleppend voran, und Henri benutzte diesen Umstand, um seine Gehilfen allein zu lassen und sich in dem Ort umzusehen.
    Er kannte in Alencon niemanden und wusste nicht, ob es in der Nähe eine Burg gab. Konnte er hier ein Versteck finden?
    Als er durch den Ort ging, bemerkte er, dass hier die Knochenschnitzer den Ton angaben, überall befanden sich ihre Werkstätten, in denen Flöten, Nadeln, Schnallen, Messergriffe, Würfel, Kämme und sogar Schlittschuhe hergestellt wurden. Auch die Herstellung von Perlen für Rosenkränze stand hoch im Kurs. Überall erblickte Henri die Bänke zum Bohren solcher Perlen in den Werkstätten der dafür zuständigen

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