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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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weiß nicht, wie wir an ihn herankommen können.«
    »Veranstaltet er nicht Festmahle? Empfängt jemand von draußen? Wird nicht jemand selig gesprochen?«
    »Der Papst ist nur noch fünf Tage im Palast. Ob er in dieser Zeit einen Empfang gibt, weiß ich nicht.«
    »Aber wenn doch, dann stehe ich hinter einem Vorhang und jage ihm mein Schwert durch den Leib.«
    »Mein Gott stehe uns bei!«
    »Er ist auch mein Gott, und er ist es im Guten wie im Bösen.«
    »Könnten wir die Sache nicht verschieben? Ich bin sicher, dass Clemens nach seinen vielen Reisen immer wieder hierher zurückkehren wird. Er will um keinen Preis der Welt in Rom regieren. Avignon ist seine Stadt – schon sprechen sie ja vom babylonischen Exil der Kirche. Er macht Avignon endgültig zur Papststadt, da bin ich mir sicher.«
    »Ich weiß. Er ist ja eine Marionette Philipps, sonst hätte ihn das Konklave niemals gewählt, hier ist er seinem Beschützer näher als im Vatikan mit seinen Giftmischern.«
    »Vor allem aber gehört die Stadt wie die umliegende Grafschaft, die Comté Vaissin, nicht zum Königreich Frankreich und wird schon jetzt von päpstlichen Rectoren regiert. Hier ist er sozusagen auf eigenem Grund und Boden und fühlt sich sicher. Wir könnten unser Ziel also viel besser erreichen, wenn wir es lang und gründlich vorbereiten.«
    »Nein. Aus vielen Gründen, die ich Euch nicht darlegen möchte – es geht nur jetzt.«
    »Nun. Es kann sein, dass Clemens in drei Tagen die Abgesandten von Roquemaure empfängt, das ist eine Burg an der Rhone, in der er oft selbst anwesend ist…«
    »Ich hörte davon reden…«
    »… Er ist den dortigen Grafen verpflichtet. Ich glaube, man sprach von einem solchen Empfang, anlässlich dessen der Papst seine bedeutendste Reliquie vorführen will, um die weltliche Macht daran zu erinnern, dass es der Papst ist, der in der Nachfolge Christi die Zügel in der Hand hält…«
    »Ihr meint die Heilige Trense, in die ein Nagel des Kreuzes eingearbeitet ist? Sie ist hier im Palast?«
    »Clemens hat sie vor einem halben Jahr aus Rom bringen lassen. Ich habe es mit eigenen Augen im Reliquienverzeichnis gesehen.«
    »Das wäre unglaublich!«
    »Wenn dieser Empfang mit der Zurschaustellung also tatsächlich stattfindet, sind auch alle Mönche anwesend, denn sie haben die Reliquie noch nicht gesehen. Ich könnte Euch einladen, denn jeder hat das Recht für einen Gast seiner Wahl.«
    »Das wäre passend.«
    »Und danach?«
    »Ich werde es so einrichten, dass der Verdacht weder auf Euch noch auf mich fällt.«
    »Sondern auf wen?«
    »Auf die allgegenwärtigen Intriganten, die der Papst auf sich zieht wie Aas die Fliegen – Gott verzeihe mir.«
    Gottfried schlug das Kreuz. Dann flüsterte er: »Clemens ist der Stellvertreter Gottes auf Erden. Töten wir dann nicht auch unseren Herrgott?«
    »Was für ein furchtbarer Gedanke! Aber nein – ich will es nicht glauben. Ich will daran glauben, dass wir mit der Beseitigung dieses verräterischen Papstes, der unsere tiefgläubigen und aufrechten Tempelbrüder ins Verderben zog, eine gottgefällige Tat begehen! Ich will daran glauben, dass wir damit unseren Herrgott von einem unwürdigen, falschen Kirchenfürsten befreien, der sich die Stellvertretung nur angemaßt hat!«
    »Halten wir daran fest! Das soll unsere Losung sein! Und nun geht, bitte. Ich werde Euch benachrichtigen.«
    Mit einem schweren Seufzer stand Henri de Roslin von seinem Schemel auf. »Es wird gelingen, Gottfried. Es muss gelingen!«
    »Ich werde dafür beten.«
     
     
    Das Bankett im Festsaal des Dominikanerkonventes für die Abordnung aus Roquemaure fand tief in der Nacht statt. Alle Tische im Saal mit den roten und grünen Ledertapeten, auf denen Muster mit Vögeln, Blüten und wilden Tieren prangten, waren überreich geschmückt. Und auf einem besonderen, mit Gold verzierten Tisch stand abgedeckt hinter einem silbernen Schrein etwas, von dem die Mönche munkelten, es sei die Reliquie.
    Die eintretenden Mönche mit brauner Kutte und Tonsur knieten vor dem Abt nieder und küssten seine Hände. Der Abt Fredigor, ein ernster, bleicher Mann mittleren Alters, der eine beinahe unnatürlich hohe Stirn besaß, lächelte müde. Offenbar waren die Zeiten, in denen der Papst zu Gast war, anstrengend.
    Als der Vorleser an seinem erhöht stehenden Pult alle Horen kurz und bündig gebetet hatte, wie es die Ordensregeln des heiligen Dominicus vorschrieben, damit die Brüder ihre Andacht nicht verloren, konnte der

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