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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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abgerissen worden war. Als Lord Sigward fragte, was es damit auf sich habe, fand er endlich die Rechtfertigung für seinen Zorn auf die beiden. »Sie verleumdeten die Heiligkeit des Kreuzzuges, sie häuften Häme auf das heilige Ziel, die Sarazenen aus dem Land zu jagen, in dem Jesus gewandelt war. Sie hätten zu viel Tod gesehen, sagten sie. Der Islam würde nur immer weiter aufgestachelt. Was habe es für einen Sinn, moslemische Männer, Frauen und Kinder zu töten, wenn doch für jeden Leichnam hundert Lebende mehr die Christenheit hassten? Sei das die Befolgung der Lehren unseres Herrn?«
    Lord Sigward, dem vor Wut die Worte versagten, hatte die Halle verlassen und sich in sein Gemach zurückgezogen. Der Gedanke an die Schande, die durch die Gottlosigkeit seines Sohnes auf seinen Namen fallen würde, ließ ihn keinen Schlaf finden. Mitten in der Nacht stand er auf und ging zur Kammer des Jungen, um ihn zur Rede zu stellen.
    »Er fand seinen Sohn und den Freund zusammen im Bett«, sagte der Abt. »Sie waren nackt und in einem sodomitischen Akt begriffen.«
    In dem Augenblick war Lord Sigward von Hybris befallen worden. Leise und unbemerkt von den beiden Liebenden schloss er die Tür und ging eine Axt holen.
    Der Abt sagte: »Er … Nein, ich darf mich selbst nicht in der dritten Person denken …
Ich.
Ich war der Schlächter. Mit der Axt in der Hand stürmte ich zu den beiden Jungen hinein und hackte sie zu Tode, während sie einander in den Armen lagen. Ich schlug und schlug und schlug auch dann noch weiter, als beide längst tot waren.«
    Schilfrohr verengte von beiden Ufer her die Fahrrinne, und der Kahn schob mit seinem Bug gelbe Seerosen beiseite. Der Ruf der Flussuferläufer erklang von Land her, ein Diskant zu der unerbittlichen menschlichen Stimme.
    »Ich glaubte mich im Recht. Hatte ich nicht ähnlich gerichtet wie der Allmächtige über Sodom und Gomorra? Steht nicht im 3. Buch Mose, dass ein Mann, der bei einem Mann wie bei einer Frau liegt, eine abscheuliche Tat begeht und des Todes schuldig ist?«
    Blutbesudelt wankte Lord Sigward nach unten, setzte sich an den Tisch und starrte ins Leere.
    Hilda, die die Schreie gehört hatte, war herbeigelaufen und hatte das Blutbad gesehen. Die toten Jungen waren ihr nicht so wichtig wie ihr Herr. Niemand durfte erfahren, was ihr lieber Herr getan hatte.
    Sie übernahm die Führung. Godwyn wurde beauftragt, einen Sarg zu zimmern, während sie wischte und putzte. Die Leichen wurden auf Tücher gelegt, die Bettwäsche verbrannt.
    »Dass ich meine treuen Diener mit in die Sache verwickelte, war eine meiner vielen Sünden in jener Nacht, und nicht die kleinste.« Abt Sigward blickte hoch, doch Godwyn hielt die Augen auf den Fluss gerichtet.
    Die Leichen wurden in den Sarg gelegt und sollten heimlich irgendwo auf dem Anwesen begraben werden …
    Und dann kam das Erdbeben.
    »Die Welt schwankte. Der Boden öffnete sich. Am schlimmsten war das Geräusch, als wäre Gottes Stimme nahe und schleuderte Vernichtung durch die Wolken.« Abt Sigward nickte vor sich hin. »Sie war es, sie war es wahrhaftig. Ich hörte Ihn:
Hast du das Recht zu verurteilen, du Mörder? Habe ich dafür Meinen Sohn gesandt, um Liebe und Vergebung zu predigen? Wer bist du, dich gegen Ihn zu erheben? Du hast die Kinder zweier Mütter getötet, Sigward. In deiner Hoffart und Bosheit hast du zweifachen Sohnesmord begangen, und der Menschensohn ist erneut gekreuzigt worden.
«
    Es war die Stimme, die Saul auf der Straße nach Damaskus gehört hatte. Und wie schon Saul, so hielt sie auch Lord Sigward den Spiegel vor. Was er da sah, zwang ihn in die Knie: eine hasserfüllte Kreatur, einen eitlen, unbarmherzigen Gesetzesprediger, der das eine Gesetz missachtete, das am wichtigsten war, einen Mörder, nicht zuletzt auch den Mörder einer sanftmütigen Frau, die ungeliebt gestorben war. Er sah den Höllenpfuhl auf ihn warten, und der war nicht voller lodernder Flammen, sondern dürr und leer wie seine Seele. Er würde dazu verdammt sein, in alle Ewigkeit allein darin zu frieren.
    »Ich warf mich nieder, flehte um Gnade, die mir nicht gewährt werden würde, weil ich keine gezeigt hatte«, sagte der Abt. »Der Boden schwankte und bebte unter mir, und diese Katastrophe war Gottes Verdammnis.«
    Als die Erde sich endlich wieder beruhigte, stand ein gewandelter Sigward auf, wenngleich er sich vor lauter Entsetzen über seine Tat kaum aufrecht halten konnte. Er wusste jetzt, dass die Jungen, die er getötet

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